The Walking Dead 2: Roman
vierten Schlag gibt der Schädel endlich nach, es gibt ein nasses Geräusch, und schwarze Gischt schießt über den eisigen Boden.
Sarah hat jetzt ihre Schwestern erreicht. Sie umarmen einander, die Augen vor Entsetzen geweitet. Wimmernd vor Horror und Furcht, stolpern sie in Richtung Ausgang, dessen riesige Zeltplanenlasche laut im Wind hin und her schlägt.
Lilly wendet sich von dem Nadelstreifenanzug ab und eilt zu den Mädchen, hin zum Ausgang. Plötzlich erstarrt sie mitten im Lauf und ergreift Sarahs Ärmel: »Warte, Sarah, warte … WARTE !«
Am anderen Ende des Zirkuszelts schlägt der Wind jetzt die riesige Plane auf und gibt den Blick auf mindestens ein halbes Dutzend Zombies frei, die sich dem Eingang nähern. Spastisch stolpern und schlurfen sie durch die Öffnung – alles Erwachsene, Männer und Frauen in zerfetzter, mit Blut besudelter Kleidung. Zusammen kommen sie gleich einer unüberwindbaren Wand näher, ihre mit einem grauen Film überzogenen Augen sind starr auf die Mädchen gerichtet.
»Hier entlang!« Lilly reißt Sarah in die entgegengesetzte Richtung, und Sarah schafft es gerade noch, Ruthie hochzuheben und mitzunehmen. Die Zwillinge eilen ihnen hinterher, rutschen auf dem nassen, verfilzten Gras aus. Lilly deutet auf die Lücke zwischen dem Boden und der Plane. Nur noch dreißig Meter. Außer Atem flüstert sie: »Da zwängen wir uns durch.«
Sie laufen weitere fünfzehn Meter, als plötzlich ein weiterer Untoter vor ihnen erscheint.
Diese schleimige, verstümmelte Leiche in einer ausgewaschenen Jeans-Latzhose – das Gesicht halb aufgerissen entblößt das rote Fleisch und seine Zähne – muss unter der Plane hindurchgekrochen sein, während sie abgelenkt waren. Jetzt hält er unbeholfen direkt auf Sarah zu. Lilly stellt sich zwischen ihm und der Teenagerin auf, holt mit der Schaufel aus und lässt sie mit aller Wucht gegen seinen aufgedunsenen Schädel krachen, so dass er zur Seite stolpert.
Er prallt gegen einen Pfeiler, und die Wucht, mit der er dagegen schlägt, reißt den Baumstamm aus der Verankerung im Boden. Seile reißen. Ein Geräusch wie das eines Eisbrechers, der sich durch Schollen kämpft, erfüllt das Zelt, und die Bingham-Mädchen kreischen heulend auf, als das riesige Zelt langsam zusammenbricht. Die restlichen Pfeiler geben nach, als ob es Zahnstocher wären, Pfähle fliegen aus dem gefrorenen Grund. Das konische Dach sackt über ihnen zusammen wie ein riesiges Soufflé.
Die Plane fällt auf die Mädchen, und ihre Welt verfinstert sich schlagartig, sie zerrt ihnen die Luft aus den Lungen und legt sich dann schwer auf sie.
Lilly wehrt sich gegen die herabstürzende Leinwand, versucht verzweifelt, nicht die Orientierung zu verlieren. Sie hält noch immer die Schaufel in der Hand. Das Zeltdach kracht auf sie mit der Wucht einer Lawine herab. Sie hört die gedämpften Schreie der Kinder, erspäht dann einen Hauch Tageslicht, weit entfernt. Unter der Plane kriecht sie in Richtung des Lichts, zieht die Schaufel hinter sich her.
Endlich erreicht sie die Kinder, streift mit dem Fuß gegen Sarahs Schulter. »Sarah! Reich mir die Hand! Schnapp dir die Mädchen und zieh!«, brüllt Lilly.
Auf einmal scheint die Zeit für Lilly langsamer zu werden – und diverse Abläufe geschehen zeitgleich. Lilly kommt endlich unter der Plane hervor und wird von dem eisigen Wind begrüßt, der ihr um die Nase weht. Sie zieht Sarah mit letzter Kraft nach, und zwei weitere Mädchen erscheinen hinter Sarah von unter der Zeltplane. Sie kreischen wie ein Teekessel, den man auf dem Herd vergessen hat.
Lilly springt auf und hilft Sarah und den beiden anderen auf die Beine.
Ein Mädchen fehlt – Lydia, die jüngere der beiden Zwillinge, auch wenn sie laut Sarah nur eine halbe Stunde später geboren ist. Lilly drängt die drei weg vom Zeltplatz, ermahnt sie aber, nicht zu weit fortzugehen. Dann dreht sie sich wieder zum Zelt um und sieht etwas, das ihr Herz beinahe still stehen lässt.
Unter dem zusammengestürzten Zeltdach bewegt sich etwas. Lilly lässt die Schaufel fallen und beobachtet das grausige Schauspiel. Beine und Rückgrat verwandeln sich in Eisblöcke. Sie kann nicht mehr atmen, starrt unentwegt auf eine kleine Beule in zwanzig Metern Entfernung. Das ist die kleine Lydia, die versucht, in die Freiheit zu gelangen. Ihre Schreie werden durch das schwere Material gedämpft.
Das Schlimmste aber – und es ist genau das, was Lilly Caul erstarren lässt – sind die anderen
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