The Walking Dead 3: Roman (German Edition)
Tee trinken. Erst mal schauen, was der Governor von mir will«, murmelt Martinez, sodass Rudy ihn nicht hören kann. »Ein scheiß Ding nach dem anderen, Mann.«
Martinez braucht genau elf Minuten, um die Stadt zu Fuß zu durchqueren. Er wird ein paar Mal aufgehalten, weil er faulenzenden Arbeitern die Leviten lesen muss, die sich hinter Hausecken verstecken. Einige hängen schon jetzt – um zwei Uhr nachmittags – an der Flasche. Als Martinez zum Gebäude des Governors kommt, hat die Sonne sich endlich durch die Wolken gekämpft. Es ist so schwül wie in einem Dampfbad.
Der große Latino beginnt zu schwitzen, als er um das Gebäude geht, die Treppe nach oben eilt und auf dem Gang vor der Hintertür stehen bleibt, um anzuklopfen.
»Rein mit dir, aber schnell«, begrüßt ihn der Governor und öffnet die Tür.
Martinez’ Nackenhaare stellen sich auf, als er den säuerlichen Geruch in der Küche einatmet. Es mieft nach altem Fett und schwarzem Schimmel, unterlegt mit irgendetwas Faulendem, Verwesendem. Ein Lufterfrischer mit Kiefernaroma hängt über dem Waschbecken. »Was ist los, Boss?«, will Martinez wissen, nimmt das Maschinengewehr von der Schulter und lehnt es gegen einen Küchenschrank.
»Hätte einen kleinen Job für dich«, antwortet der Governor und füllt ein Glas mit Leitungswasser. Seine Wohnung ist eine der wenigen in Woodbury, in denen die Rohrleitungen noch funktionieren, auch wenn aus dem Hahn meistens nichts weiter als eine rostbraune Brühe kommt. Der Governor leert das Glas. Über seinem drahtigen Oberkörper trägt er ein zerschlissenes Unterhemd, und die Tarnhose ist in seine Militärstiefel gesteckt. Die Bandage über seinem Ohr ist orangefarben vor Blut und Jod. »Möchtest du auch etwas trinken?«
»Gern.« Martinez lehnt sich gegen die Anrichte und verschränkt die muskulösen Arme vor der Brust, als ob er so sein Herzklopfen verbergen könnte. Ihm gefällt es gar nicht, wie sich die Sache hier entwickelt. Wann auch immer der Governor den Leuten einen »kleinen Job« aufgetragen hat, kamen sie normalerweise in Einzelteilen zurück. »Danke.«
Der Governor füllt ein weiteres Glas und reicht es ihm. »Ich möchte, dass du dir mal diesen Rick-Typen vorknöpfst. Und wenn du mit ihm redest, lass ihn wissen, wie scheiße du es hier findest.«
»Wie bitte?«
Der Governor blickt Martinez in die Augen. »Du findest alles scheiße hier, verstanden?«
»Nicht so ganz.«
Der Governor rollt genervt mit den Augen. »Versuch einfach mal, mir zu folgen, Martinez. Ich will, dass du dieses Arschloch kennenlernst. Dich bei ihm einschleimst. Erzähl ihm einfach, dass dich hier nichts mehr hält, dass du es nicht magst, wie wir die Dinge hier regeln. Ich will, dass du die Situation, die gerade in der Krankenstation herrscht, ausnützt. Alles klar?«
»Was herrscht denn für eine Situation in der Krankenstation?«
»Das Arschloch umwirbt Stevens und dessen kleinen Schoßhund, diese Krankenschwester. Die glauben, dass die Fremden nett und freundlich sind, anständig – aber lass dich nicht täuschen. Die haben mir mein scheiß Ohr einfach abgebissen!«
»Okay, verstehe.«
»Die haben mich angegriffen, Martinez. Die wollen unser Städtchen, unsere Vorräte … und sie werden alles tun, um es in die Finger zu kriegen, das kannst du mir glauben. Die werden alles tun. Und ich werde alles tun, um das zu verhindern – so wahr mir Gott helfe.«
Martinez trinkt sein Wasser, nickt, überlegt. »Geht in Ordnung, Boss.«
Der Governor geht zum Fenster und schaut in den grauen Nachmittag hinaus. Der Himmel hat die Farbe von saurer Milch. Keine Vögel weit und breit. Keine Vögel, keine Flugzeuge, nichts außer endlosem grauem Himmel. »Und ich will, dass du das durchziehst«, fügt der Governor mit düsterer Stimme hinzu. Er dreht sich um und blickt Martinez in die Augen. »Du legst es darauf an, dass sie dich mit in dieses Gefängnis nehmen.«
»Die wohnen in einem Gefängnis?« Davon hat Martinez nichts gewusst. »Hat einer von ihnen geplappert?«
Der Governor schaut erneut auf den tief verhangenen Himmel. Leise und mit tiefer Stimme erzählt er Martinez von den orangenen Gefängnisoveralls, der Kampfausrüstung, und wie das alles nur eine Schlussfolgerung zulassen könne – eine einwandfreie Schlussfolgerung. »Wir haben ein paar Knastbrüder hier in Woodbury«, meint er schließlich. »Ich habe mich mal umgehört. Im Umkreis von nur einer Tagesfahrt gibt es drei oder vier Gefängnisse. Eines
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