The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
wären, hätten wir wohl nicht überlebt. Und weit und breit kein Joshua, der uns zu Hilfe gekommen wäre.
Larry verschränkte die Arme hinter dem Rücken und sah zum bewölkten Himmel auf. »Karen wird alles tun, was in ihrer Macht steht. Was danach passiert, liegt nicht mehr in unserer Hand.« Er klopfte mir auf die Schulter. »Du solltest dich ein bisschen ausruhen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich muss nach Dad sehen.«
Er drehte sich um und humpelte auf Rachel zu, die völlig verloren vor dem Haus stand. Die hatte ich ganz vergessen.
»Du hast sicher Hunger und willst bestimmt duschen. Komm mit, ich zeige dir dein neues Zuhause«, sagte Larry.
Rachel sah mich an. Ich lächelte aufmunternd, dann nickte ich Larry zu. Sie folgte ihm. Die Haustür fiel hinter ihnen ins Schloss.
Ich lehnte mich gegen das Auto. Heute war so viel passiert. Die Weepers. Der arme Mann, der von der Feuerleiter gefallen war. Ich musste immer wieder daran denken, wie er ausgestreckt auf dem Betonboden gelegen hatte, leblos, mit weit aufgerissenen Augen. Ich wünschte, ich könnte diese Erinnerungen aus meinem Kopf scheuchen, alles vergessen, was geschehen war. In diesem Zustand konnte ich unmöglich nach Dad sehen. Eine weinende Tochter würde seine Stimmung nicht gerade heben.
»Hey.«
Als ich Joshuas Stimme hörte, zuckte ich zusammen. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören. Er stand vor mir und sah besorgt aus. Dann streckte er den Arm aus, ließ die Hand zögernd wenige Zentimeter vor meiner Wange schweben und legte sie dann doch darauf. Bei seiner Berührung wurde mir ganz warm. Ich schmiegte mich an seine Handfläche. So stark. So gut.
»Alles in Ordnung?«, fragte er leise. Seine blauen Augen suchten meinen Blick. Sie waren so hell wie ein wolkenloser Himmel. Ich versuchte zu lächeln, doch dann verlor ich die Fassung. Ich schüttelte den Kopf. Nichts war in Ordnung. Die letzten beiden Tage waren die Hölle gewesen. Ich hatte so viel erlebt, so große Angst gehabt – so viel Tod überall. Jetzt konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich hasste mich dafür, dass ich Schwäche zeigte, hasste mich, weil ich mich nicht beherrschen konnte. Ich musste stark sein. Für meine Familie. Ich wollte stark sein.
»Mir geht’s gut«, keuchte ich, gefolgt von einem Schluchzen. Das war nicht gerade überzeugend. Ich war so ein Jammerlappen.
Joshua schüttelte den Kopf. »Sieht aber nicht so aus.« Er lehnte sich gegen den Wagen, legte eine Hand um meine Schulter und zog mich zu sich. Er streichelte sanft meinen Arm und starrte auf die Weinberge.
»Du hast recht. Mir geht’s beschissen«, gab ich mit einem traurigen Lachen zu.
Wir blieben eine Weile so stehen, bis ich wieder an meinen Dad denken musste. An das Fieber, die Entzündung, seine blasse Haut.
»Ich mache mir Sorgen um meinen Vater«, brachte ich schließlich heraus.
»Karen kümmert sich um ihn. Der wird schon wieder.« Joshua streichelte sanft meine Arme. Wir waren eng aneinandergelehnt. Seine Wärme und sein Duft trösteten mich.
»Aber sie kann ihm nicht helfen, wenn er die Tollwut hat. Dann kann ihm keiner mehr helfen.«
Joshuas Hand drückte einen Augenblick lang fest meinen Arm. »Wenn er nicht gebissen wurde, stehen die Chancen gut, dass er sich nicht infiziert hat«, sagte er in nüchternem Ton. »Geh zu Karen und frag sie.« Er nickte in Richtung des kleinen Cottages.
»Okay.« Ich nahm meinen Kopf von seiner Brust, aber ich konnte meine Augen nicht von ihm abwenden. Er sah mich mit festem Blick an.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und holte tief Luft. Wenn ich es mit den Weepers aufgenommen hatte, schaffte ich das jetzt auch. Ich drückte einen sanften Kuss auf seine Wange. Mein Gesicht wurde puterrot, aber das ignorierte ich. »Danke, dass du mir geholfen hast.«
Ich rannte auf das Cottage zu und warf einen verstohlenen Blick über die Schulter. Joshua starrte mir über rascht hinterher.
Mit einem flauen Gefühl im Magen betrat ich das klei ne Gebäude. Staub tanzte in der Luft des engen Flurs. Aus dem Raum zu meiner Rechten drangen Stimmen. Er wirkte wie ein improvisiertes Krankenzimmer. In der Mitte stand ein Bett, daneben ein Tisch mit allen möglichen medizinischen Gerätschaften. Der Boden war aus Holz und die Wände in einem eigenartigen Gelb gestrichen – immer noch besser als das sterile Weiß in dem Bunker unter unserem Haus.
Geoffrey stand mit verschränkten Armen neben mir. Sein Haar hing schlaff herab. Die Tränensäcke und
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