The Weepers - Und sie werden dich finden: Roman (German Edition)
einen blauen Bluterguss an der Schläfe, der zwar schlimm aussah, aber nicht besonders wehtat. Vielleicht lenkten mich auch die Schmerzen in meinen anderen Körperteilen davon ab. Der Zustand meiner Füße hatte sich verschlimmert, und meinem Kopf ging es auch nicht besonders. Ich konnte nicht aufhören, die Nähte darauf zu betasten. Es war eine harte Nacht gewesen. Meine Albträume hatten sogar Mia geweckt. Zum Glück wusste sie nicht, wovon ich geträumt hatte.
Ich konnte es kaum abwarten, nach Dad zu sehen. Vielleicht war er inzwischen aufgewacht und ich konnte mit ihm reden.
Dann wandte ich mich wieder meinem Spiegelbild zu. Die Klamotten, die ich heute Morgen auf dem Schreibtisch in meinem Zimmer gefunden hatte, passten wie angegossen. Ein einfaches T-Shirt und Jeans, nichts Besonderes. Ich hätte gerne etwas Schöneres angezogen, aber ich durfte nicht wählerisch sein.
Zumindest glänzte mein Haar wieder. Beim Gedanken daran musste ich lachen. Es tat gut, sich durch solche dummen Dinge abzulenken – selbst wenn es nur ein paar Minuten waren, in denen ich nicht über menschenfressende Weepers nachdenken musste.
Vor 69 Tagen hatte ich zum letzten Mal unbeschwert gelacht.
Einen Augenblick lang fühlte ich mich wie ein ganz normaler Teenager. Dann holte mich der stechende Schmerz in meinem rechten Fuß in die Realität zurück.
Mia hatte sich in die Kissen gekuschelt und schlief immer noch tief und fest. Die Sonne war gerade aufgegangen. Ich wollte sie nicht wecken, also schloss ich leise die Tür und ging nach unten.
Mom saß mit Karen und Larry am Küchentisch und trank eine Tasse Kaffee. Sie sah auf. »Guten Morgen.«
»Morgen.« Ich ließ mich auf einen Stuhl fallen und bereitete mich auf eine schlechte Nachricht vor. »Wie geht’s Dad?«
Moms Lächeln verschwand. »Er war heute Nacht ein paar Stunden lang wach. Jetzt ist er wieder eingeschlafen. Aber er sieht schon besser aus.«
»Kann ich ihn sehen?«
»Später vielleicht. Gerade sind Geoffrey und Bobby bei ihm. Sie sagen uns Bescheid, falls er aufwacht. Er muss sich ausruhen«, sagte Karen. Sie wirkte ebenfalls ziemlich ausgelaugt.
»Sogar deine Großmutter hat ihn kurz besucht.« Mom nahm einen weiteren Schluck Kaffee. »Dafür hat sie sogar deinen Großvater alleingelassen. Zum ersten Mal.«
Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn. Grandma hatte ich ja völlig vergessen. »Wo ist sie? Ich hab sie noch gar nicht gesehen.«
»Sie ist bei deinem Großvater in einem der Cottages«, sagte Larry.
Ich runzelte die Stirn. »Habt ihr ihn wieder eingefroren?«
Larry spuckte einen Schluck Kaffee aus und fing heftig an zu husten. Karen klopfte ihm auf den Rücken. Auch sie musste sich das Lachen verkneifen.
Mom seufzte. »Nein, wir haben ihn nicht wieder eingefroren.«
»Wir haben auch gar keine Kühltruhe, in die er reinpassen würde.« Larry sah mich verlegen an.
»Aber … wird er denn nicht verwesen?«, fragte ich. Allein bei dem Gedanken daran wurde mir ganz anders.
»Doch, leider schon.« Karen zuckte mit den Achseln. Die Vorstellung, dass im Cottage nebenan eine verwesende Leiche lag, schien sie nicht groß zu beunruhigen.
Mom stellte die Tasse ab. »Wir werden ihn heute Mor gen begraben. Er fängt schon an zu stinken. Das ist die einzige Möglichkeit, egal, was deine Grandma sagt.«
Ich nahm mir eine Tasse und gab ein paar Löffel In stantkaffeepulver hinein. Ich hatte noch nie vorher Kaffee getrunken – der Duft hatte mich immer abgeschreckt –, aber jetzt war wohl der richtige Zeitpunkt, um damit anzufangen. Ich nahm einen Schluck von dem heißen Gebräu. Es war so bitter, dass ich eine Grimasse schnitt. Ich versuchte, nicht an tote Menschen zu denken.
»Schläft Mia noch?«, fragte Mom und beobachtete, wie der Kaffee in ihrer Tasse hin und her schwappte, als sie sie leicht kippte.
»Ja. Sie war ziemlich müde.«
»Gut. Dann fangen wir gleich an, damit sie nichts mitbekommt.«
»Jetzt?« Ich sah sie verwundert an. »Aber wir müssen doch erst ein Grab ausheben.« Mit meinen wunden Füßen riss ich mich nicht gerade um diese Aufgabe.
Mom stand auf. »Das haben Tyler und Geoffrey schon vor ein paar Stunden erledigt.«
»Dann hole ich mal die anderen«, sagte Larry. Ich beobachtete ihn, wie er aus der Küche humpelte.
Karen, Mom und ich gingen zum kleinen Cottage hinüber, in dem Grandma über Grandpa wachte. Ich hielt mir die Nase zu und atmete durch den Mund. Einen Augenblick lang glaubte ich, dass ich den Kaffee wieder
Weitere Kostenlose Bücher