Thea und Nat
Nat.
»Die nächsten nimmst du länger.«
»Das einzig Gute ist, daß du bei mir bleiben mußt.«
»Vielleicht hält mein schlechtes Gewissen nicht lange vor.«
»Doch«, sagte Nat, »du verzeihst dir den Unfall nie.«
»Eine menage à trois«, sagte Thea, »du und ich und das schlechte Gewissen. Dürfen noch handelnde Personen auftreten?«
»Nein«, sagte Nat.
Nat, der Mittelpunkt, er hatte es genossen, von Menschen umgeben zu sein. Nach dem Unfall wollte er nur noch Theas Nähe und die ganz nah. Doch der Rückzug hatte schon Monate vorher begonnen. Die großen Auftritte waren selten geworden, wenn sie auch immer noch mit Glanz über die Bühne gingen. Doch es gelang ihnen kaum mehr ein nettes Spektakel mit großer Besetzung.
Nat zog sich und Thea zurück. Er ließ Thea nicht aus den Augen, seit sie gesagt hatte, daß sie sich von ihm trennen wolle. Er tat alles, um sie zu halten, und alles war falsch.
Thea schien es, als sei sie seit Sommer des vorigen Jahres nur damit beschäftigt, Nat loszuwerden.
Sie sah zu ihm hin. Er sprach mit einer Frau, die ihm gerade einen der Malt Whiskys aus dem Regal geholt hatte.
Die kleinen Kontakte suchte er noch immer. Begegnungen, bei denen nichts haftenblieb, nur das bißchen Bestätigung, daß er gefiel.
Nat liebte die alte Fliegerjacke der Air Force, die Thea ihm geschenkt hatte. In ihr gab er den Kerl, den eine Kampfverletzung vorübergehend zur äußersten Schonung zwingt. Der ungeduldig wartet, wieder in die Einmotorige zu steigen und in das Abenteuer zu fliegen. Nat wurde gern für einen Abenteurer gehalten. Er spielte ihn gut, wenn er das Spiel auch nie lange aushielt.
Im September vor sieben Jahren hatte er Thea im ersten Augenblick getäuscht. Als im zweiten schon ein Seelchen aus ihm geworden war, hatte sie seine Sentimentalität gerührt.
Thea nahm das Brot, das die Verkäuferin auf die Theke gelegt hatte, und ging zu Nat, der noch immer vor den Whiskys stand und dabei war, die Fliegerjacke länger zu ziehen.
»Deine Beine sehen gut aus«, sagte Thea, »du brauchst nicht die Jacke darüberzuzerren. Erkläre mir lieber, wie du es schaffst, daß sie nicht dünner werden.«
Nat sah auf.
»Du wirst bald wieder mit deiner Einmotorigen über die Wälder fliegen«, sagte Thea, »wilde Wälder.«
»Du beunruhigst mich«, sagte Nat, »was sind das für Betrachtungen.«
»Ich habe sie angestellt, als ich in der Schlange an der Brottheke stand«, sagte Thea.
»Daß du nicht sehen willst, wie dünn sie sind. Ich habe eben noch gedacht, daß ich die Jeans nicht mehr anziehen sollte. Bundfaltenhosen kaschieren das wohl besser.«
Thea zog den Einkaufswagen heran und zählte die Flaschen, die Nat hineingestellt hatte.
»Kontrolliere mich nicht«, sagte Nat, »schau dir lieber die Frau an, die drüben an der Kasse steht. Die wollte wissen, wie mir denn das passiert sei.«
»Hast du auf mich gezeigt?« fragte Thea.
»Nein«, sagte Nat, »ich habe gesagt, ich sei mit meiner Einmotorigen in einen wilden Wald gefallen.«
Er deutete auf eine Flasche, die in dem Einkaufswagen stand.
»Für den letzten Abend dieses Jahres. Bist du einverstanden?«
Thea nickte. Anderthalb Liter Whisky für einen Abend zu zweit. Um zwölf Uhr würden sie vor Langeweile volltrunken sein. Thea spürte schon den Brechreiz. Doch es war nicht das Jahr, um einen Silvesterball vorzuschlagen.
Thea öffnete die Augen und schloß sie schnell wieder. Das Licht schnitt. Der Kopf schmerzte.
»Give it a second try«, sagte Nat.
Thea drehte sich um und hielt die Augen geschlossen.
»Habe ich geträumt, daß wir die ganze Flasche getrunken haben?«
»Nein«, sagte Nat, »du hast auch nicht geträumt, daß wir miteinander geschlafen haben. Du warst lieb. Danke.«
»War es so schlimm?«
»Nein, es hat geklappt. Wie schön, daß du schon den Mantel des Vergessens darübergebreitet hast.«
»Wir haben gedacht, daß nichts mehr ginge.«
»Ich bin ja auch dankbar«, sagte Nat.
Thea sah zu, wie das Aspirin zerfiel. Sie stellte das Glas auf den Wannenrand und tauchte in das Bad ein.
An Nat geschahen Wunder. Nur nicht das eine, daß er aufstand und ging. Wandelte, dachte Thea. Doch sonst hielt er sich an keine der Prognosen. Thea hatte schon versucht, mit seinem Arzt darüber zu sprechen.
»Danken Sie dem lieben Gott«, hatte der gesagt.
Es schien blasphemisch zu sein, nach einer medizinischen Erklärung zu fragen.
»Hast du was dagegen, wenn ich mit in die Wanne komme?« fragte Nat.
»Aber hol
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