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Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Anruf.
    Vielleicht gab ihm das einen Vorsprung.
    Als der Alte am Klavier die ersten Töne von Here There And Everywhere spielte, dachte Nat, daß er den Whisky noch nicht gekauft hatte. Doch er wollte keine Wege mehr machen.
    Er wollte nach Hause. Thea würde kommen.
    Als Nat an der Ampel hielt, sah er auf der anderen Seite der Kreuzung Thea, die in einen hellen Chevrolet stieg.
    Nat bog falsch ab, um dem Wagen zu folgen. Ein paar Ampeln später hatte er ihn aus den Augen verloren.
    Das Foto von Thea und Nat lehnte an dem Silberrahmen, der auf dem Kaminsims stand.
    »Du siehst dein Mütterlein nicht mehr«, sagte Thea.
    »Deine Augen sind wärmer«, sagte Nat.
    »Sie war doch die beste aller Frauen.«
    »Das war sie sicher nicht.«
    »Augenblick mal«, sagte Thea, »ich denke, du bist das Kind mit der guten und ich bin das mit der bösen Mutter.«
    »Sagen wir, um mich hat man sich gekümmert und um dich nicht.«
    »Nat Landman, seit sieben Jahren erzählst du mir, daß es keine bessere Mutter gab als deine.«
    »Dann erzähle ich seit sieben Jahren Mist.«
    »Ich dachte, ich müßte mich an ihr messen.«
    »Nur das nicht«, sagte Nat.
    »Wird es nicht mal Zeit, mehr voneinander zu wissen?«
    »Ja«, sagte Nat, »kennst du jemanden, der einen Chevrolet fährt?«
    »Ich sprach von deiner Mutter.«
    »Und ich von einem Chevrolet.«
    »Ich kenne keinen«, sagte Thea.
    »Meine Mutter hat mich sehr geliebt«, sagte Nat, »solange ich ihrem Anspruch gerecht wurde. Ich habe meine Kindheit und noch ein paar Jahre mehr damit verbracht, das zu schaffen. Ich habe Diener gemacht und die Hände alter Damen geküßt. Ich habe für die Freundinnen meiner Mutter Klavier gespielt und mich in Galerien gelangweilt. Ich habe bei allen Nachbarn den Rasen mähen müssen, obwohl sie alle Gärtner hatten, und nicht mal zehn Pence dafür annehmen dürfen. Ich habe auf den Geburtstagen nie mehr als ein Stück Kuchen gegessen und mich nicht vollgestopft wie die anderen Kinder und mir nie einen Fleck auf die ewig grauen Hosen gemacht.«
    »Hol Luft«, sagte Thea.
    »Die Liste meiner Leiden ist länger. Ich habe meine Mutter angebetet. Ich mußte es tun, sonst hätte sie noch mehr gelitten, als sie es ohnehin schon tat. Ich mußte gutmachen, was der andere Nathaniel Landman ihr angetan hatte.«
    »Warum hast du mir das nie erzählt?«
    »Ich glaube, ich weiß es noch nicht lange.«
    »Wann hast du den Chevrolet gesehen?«
    »An dem Tag, von dem ich dir gestern erzählt habe. An der Kreuzung am Dammtor. Du stiegst gerade ein.«
    »Ich habe mich ein paarmal mit dem Mann getroffen«, sagte Thea, »aber es ist schon vorbei.«
    Nat fing an zu weinen.
    »Heul nicht«, sagte Thea, »ich seh' ihn ja nicht mehr.«
    Nat zog die Nase hoch.
    »Es ist leicht, mich loszuwerden«, sagte er, »ich bin schnell abgehängt.«
    »Ich habe noch nie so was Schweres versucht, wie dich loszuwerden.«
    Nat sah aus, als wolle er noch mal in Tränen ausbrechen.
    »Stay cool, boy«, sagte Thea, »du bist zu alt für die Heulerei.«
    »Im Gegenteil«, sagte Nat, »ich komme allmählich in das Alter, in dem ich nicht mehr glaube, cool sein zu müssen.«
    »Du wolltest cool sein?« fragte Thea. »O ja«, sagte Nat, »aber dem Anspruch bin ich noch viel weniger gerecht geworden.«
    Thea wollte keine Silvesterraketen.
    »Die hören sich an wie Krieg«, sagte sie.
    »Du kennst doch keinen Krieg«, sagte Nat.
    »Ich kenne ihn. Seine Geräusche sind in Glorias Gene geraten, als sie nächtelang in ihrem Kölner Keller saß.«
    »Gloria hatte sich kein friedlicheres Plätzchen gesichert?«
    »Damals war sie wohl noch nicht so schlau.«
    »Und dein Vater warf die Bomben«, sagte Nat.
    »Der warf die Bomben. Er lebte schon lange genug in England, um bei der Royal Air Force fliegen zu dürfen.«
    »Die Generation vor uns hatte es auch nicht gerade leicht.«
    Thea knüllte den Zettel zusammen, auf dem Nat seine Feuerwerkswünsche notiert hatte, und stand auf.
    »Dann nicht«, sagte Nat, »aber laß uns Berliner kaufen. Du kannst sie vertragen. Du bist schon wieder dünner geworden.«
    »Du auch«, sagte Thea, »ißt du denn welche?«
    »Nur eine kleine Katastrophe«, sagte Nat, »und wir lassen sie an uns zehren und machen einen Untergang daraus. Dabei ist doch alles Gewöhnung.«
    Er nahm ein Bein und legte es auf das andere und schüttelte den Kopf.
    »Es sieht nicht aus, die Beine zu kreuzen.«
    »Deine Hosen sind zu kurz«, sagte Thea.
    »Im Sitzen sind sie immer zu kurz«, sagte

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