Thea und Nat
als sei er von einem der Briefbögen gerissen, die Theas Verlag verschickte. In die letzten Ziffern der Telexnummer hatte Thea eine Zahl gekritzelt, die erste in einer Liste von Zahlen. Nat las den Zettel und zog alle Zahlen von der ersten ab. Das hatte Thea auch getan. Er behielt einen Rest. Den hatte Thea auch behalten. Die Rechnung ging zu ihren Gunsten auf. Wenn das Theas neues Einkommen war, konnte ihr Nats Geld egal sein.
Der Vertrag. Nat hatte noch im Schlaf liegend an ihn gedacht und einen Moment lang gehofft, an einem schlechten Traum zu träumen. Als er die Augen aufschlug, stand Thea neben ihm, im Bademantel und mit feuchtem Haar und einer Anspannung im Gesicht, die Nat an ihr kannte.
Thea vor dem Sprung. Aus der Tür. Aus dem Haus.
Nats Zähne hatten geklappert. Nur eine Gewohnheit, deren er sich schon schämte. Thea langweilte sie gräßlich.
Nats nächster Gedanke war gewesen, etwas zu inszenieren, das Thea im Haus hielt.
Er hatte daran gedacht, nicht allein aus dem Bett zu kommen und um Hilfe zu bitten. Doch dann verließ er das Bett ganz schnell, weil ihn die Vorstellung schreckte, noch in den Kissen zu hocken und die Tür zu hören. Nat konnte nicht ausschließen, daß Thea davonging, ohne ihm auch nur ein Wort zu schenken.
Er hatte angefangen, den Frühstückstisch zu decken, noch ehe er aus dem Pyjama war, den er neuerdings auf Theas Wunsch trug. Er hatte nach Porridge verlangt, weil das Thea für eine kleine Weile am Herd halten würde.
Doch Thea strafte Nats Einleitung des Frühstücks mit Nichtachtung und machte sich an ihrem Schminktisch zu schaffen.
Nat verschob das Bad und saß angezogen da, als Thea aus dem Schlafzimmer kam. Du kannst nicht mit, hatte sie gesagt.
Nat haßte den Puder, der auf ihren Augenschatten lag. Er haßte den Lippenstift, der ihren Mund hart machte. All die Maskerade deutete auf einen großen Gang hin.
Nat haßte Theas große Gänge.
Thea stand im hellen Licht der Dielenlampe, das ihr in die Schminke leuchtete und die Spuren in ihrem Gesicht aufnahm.
Nat dachte, daß jeder ihn für jünger gehalten hätte. Es tröstete Nat nicht lange. Thea stand schon in der Tür.
Die Liebig kommt doch nachher, hatte er gesagt.
Lächerlicher Versuch, ihr Angaben zu Zeit und Weg zu entlocken.
Ich habe keine Angst, dich und die Liebig allein zu lassen.
Thea stand schon auf der Treppe, als sie das sagte.
Nat hatte ihr nachgeschaut und das Gefühl gehabt, Thea ging auf ewig. Doch die Tasche stand noch da.
Nat steckte den Zettel ein und nahm Theas Tasche. Er stülpte das Futter nach außen und fand noch ein Ticket. Ein Streifen Papier, den ein Fahrkartenautomat ausgespuckt hatte. Angaben zur Zeit und keine zum Weg. 12 Uhr 20. Am 20. Januar.
Nat konzentrierte sich auf den Zwanzigsten, doch es kam ihm kein Ereignis in den Kopf, an dem er den Tag festmachen konnte. Er schlug den Kalender in Theas Adreßbuch auf. Dienstag, 20. Januar. Alles, was sich zu Dienstagen denken ließ, war, daß die Putzfrau erschien.
Nat hob den Arm, um auf die Uhr zu sehen, die er noch nicht anhatte. Frau Liebig mußte bald da sein.
Zeit, ins Bad zu verschwinden und am besten dort zu bleiben. Er hatte keine Lust auf die Flut warmer Worte, die die Liebig über ihn goß, wann immer Thea nicht da war.
Ihre Gefühlsausbrüche verwirrten Nat. Er ließ die Agenda in die Tasche fallen und die Kulis. Auf der Kommode lagen noch Theas Visitenkarten, ihr zweiter Autoschlüssel und eine Kassette ohne Aufschrift. Nat hielt die offene Tasche an die Kommode und schob alles hinein, als schiebe er Krümel vom Tisch in die hohle Hand. Die Liebig kam in der nächsten Minute.
Nat hörte den Schlüssel im Schloß und schaffte noch, in das Badezimmer zu kommen. Er fiel gegen die Tür und atmete hastig und fühlte sich auf der Flucht. Er hatte begonnen, auch Frau Liebig als Eindringling zu betrachten.
Thea schätzte den Kontakt zu Fremden. Anzunehmen, daß sie sich freiwillig in deren Fänge gab. Einfach in eine Untergrundbahn stieg oder in einen Bus. Kein fremder Duft störte Thea. Kein Körper, der an ihren stieß. Nur auf Kinder reagierte Thea gereizt, und in der Kirche hatte sie schlappgemacht.
Nat holte den Kleinen vor Augen. Die kurze, stumpfe Nase. Die feinen blonden Haare, die auf den Kragen fielen. Der zu große Mantel. Er mußte noch kleiner sein als Thea. Nat sah sie zusammen an einer Bushaltestelle stehen. Der Kleine hielt Thea einen Zettel hin. Nat hatte gedacht, die Telefonnummer in Theas Agenda zu
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