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Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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    Er horchte an der Tür und hörte, daß Frau Liebig sich in der Küche zu schaffen machte. Vermutlich kreiste sie um den gedeckten Tisch und zögerte, das Frühstücksidyll zu zerstören, obwohl es schon auf Mittag zuging. Trotzdem. Er konnte sich Zeit lassen mit seiner Morgentoilette. Sollte die Liebig das Bad als letztes putzen. Das gäbe ihm Gelegenheit, in Theas Sekretär zu suchen und in ihrem Schminktisch. Andere Inseln hatte Thea nicht. Nat öffnete das Holzschränkchen, das in all der funktionellen Pracht ihres Badezimmers ein Schrein aus einer freundlicheren Kultur zu sein schien. Theas Fach kam ihm leer vor.
    Nat strich sich über den Hals und dachte, daß er nicht um das Rasieren herumkäme, und plötzlich hatte er Schwierigkeiten zu schlucken. Er konnte Thea nicht hindern, ihre Koffer zu nehmen und zu gehen. Geld genug hatte sie bald und einen Plan bestimmt schon jetzt. Nat griff in das untere Fach und holte die Schachtel mit den Rasierklingen heraus. Er griff nach dem Seifenstift und sah sein Handgelenk an. Nur nicht längs der Ader schneiden. Ahnungslos tun, einen Schnitt, der Blut und keine Gefahr bedeutete. Nat erinnerte sich an die Anleitung, die seine Mutter einer Freundin gegeben hatte. »You can't die. Never, dear. Just terrify him.«
    Er schaute in den Spiegel und hob die Brauen.
    Die dunklen Bartstoppeln machten ihn noch blasser. Er hatte auch nicht mehr an Frische zu bieten als Thea.
    Leichen, alle beide.
    Nat zuckte zusammen, als er das Klopfen hörte.
    »Alles in Ordnung, Herr Landmann?«
    Frau Liebigs träge Stimme hing auf einem doppelten n.
    »Ja«, sagte Nat, »danke.«
    Landmann, aber nur mit einem n hinten, sagte Thea, wenn sie seinen Namen angab. Es hatte Zeiten gegeben, da sprach man sie so an, und es hatte ihr gefallen.
    Nat schäumte die Seife auf und dachte an die Einladung, die seit Tagen in seinem Nachttisch lag. Ein Essen bei Bekannten, die er aus den Augen geglaubt hatte. Es beunruhigte ihn sehr, daß sie Thea und ihn noch im Blick hatten.
    Thea ahnte nichts von der Einladung, die schon verfallen war. Viel zu groß die Gefahr, daß sie hätte hingehen wollen. Vielleicht sogar ohne ihn. Nat und Thea Landman stand auf dem Kuvert, von dem Nat sich nicht trennen konnte. Ihn erschütterte die Vereinigung, die da stattfand. Schade, daß er es Thea nicht zeigen durfte.
    Nat nahm eine Klinge aus der Schachtel und legte sie in den Apparat. Er mußte Thea aufhalten. Ihr den Koffer aus der Hand nehmen und sich vor die Tür werfen.
    Kein Leben ohne Thea. Never, dear.
    Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß, und Thea steckte die Hände in die Taschen, um nach dem Schlüssel zu fühlen. Eine alte Angst von ihr, zu denken, daß sie ausgesperrt sei. Doch hinein kam sie immer. Nur das Hinauskommen glich einem lächerlichen Versteckspiel. Nat hockte Tag und Nacht vor der Tür und lauerte auf jeden Schritt, den sie tat. Ein Drache vor der Truhe mit dem Schatz.
    Thea nahm die Luftschlange vom Kopf des steinernen Drachen, der auf dem Mauervorsprung neben dem Hauseingang hing, als könne er sich nicht mehrlange dort oben halten.
    Keinen alten Kasten. Nats Vorgabe an den Makler nach ihrer Ankunft in Hamburg. Thea hatte gar nicht hineingehen wollen, als sie das Haus sah mit all den Drachen. Doch Nat hielt sie für Kosetiere, nachdem er sechsundzwanzig Jahre mit zwei Steinkolossen gelebt hatte, die Kain und Abel darstellten.
    Louises Vater hatte das düstere Kunstwerk in den Vorgarten des Londoner Hauses schaffen lassen.
    Jahrzehnte später machte Louise das Zimmer zu Nats Kinderzimmer, dessen Fenster den besten Blick auf den Brudermord bot. Nat hatte Thea erzählt, daß er lange Zeit geglaubt habe, ein Mensch läge dort begraben.
    Thea zupfte aus der Efeuhecke eine zweite Luftschlange und knüllte sie zusammen. Andere feierten Feste. Sie schaute zum Haus hin, dessen Fenster alle dunkel waren an diesem lichtlosen Vormittag. Auch oben bei ihnen.
    Thea streckte schon die Hand aus, um das Gartentor zu öffnen, aber sie zögerte und stand still. Nat hatte am Fenster gestanden. Halb vom Vorhang verdeckt. Doch er hatte am Fenster gestanden. Zu ganzer Größe gereckt. Auf Thea hinunterschauend.
    Das Bild war ihr deutlich vor Augen.
    Thea drehte sich zum Haus hin, langsam, um Nat nicht durch eine zu schnelle Bewegung zu warnen. Sie hob den Kopf und sah zum Fenster hinauf und sah den Vorhang, der nur ein Stück weit aufgezogen war. Von Nat sah sie nichts.
    Thea drehte sich vorsichtig um und öffnete das

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