Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
sich, mich wiederzusehen, und war nach wie vor nicht davon abzubringen, dass ich ihre Tochter Halina war.
Philippa war böse wie eh und je und hieß unsere ihrer Meinung nach allzu späten Kaffeekränzchen nicht gut. Mir kam es so vor, als wäre sie seit meinem letzten Dienstmonat im Krankenhaus noch biestiger geworden. Es schien ihr Spaß zu machen, mich in manchen Nächten alle fünf Minuten herbeizuläuten, um mich im Befehlston anzuweisen, ihr Kissen zurechtzurücken beziehungsweise aufzuschütteln beziehungsweise zu entfernen, nur um mich dann ein paar Minuten später herunterzuputzen und mich anzuraunzen, was ihr Kissen denn bitte auf dem Sofa zu suchen habe, wo sie es doch im Bett brauche. Dabei sparte sie auch mit Beschimpfungen nicht, aber ich ließ sie wortlos über mich ergehen, wenn sie auch gehörig an meinen Nerven zerrten.
Nach drei Wochen jedoch platzte mir der Kragen. Ich hatte einen arbeitsreichen Vormittag und einen schlaflosen Nachmittag hinter mir und Louis hatte einen weiteren Brief von mir ignoriert, an dem ich nächtelang gefeilt hatte und von dem ich überzeugt gewesen war, dass mir mit ihm ein Durchbruch gelingen würde. Zum dritten Mal an diesem Abend leuchtete das Lämpchen auf, das mir signalisierte, dass meine Anwesenheit im Zimmer der alten Damen erwünscht war. Seufzend erhob ich mich, schleppte mich in ihren Raum und zwang mich zu einem Lächeln.
„Was gibt's denn, Philippa?“
„Der Tee ist viel zu heiß“, teilte sie mir akzentuiert mit, ihre Stimme ein einziger Vorwurf. „Wie schwierig kann es sein, einen wohltemperierten Tee zu servieren? Das müsste doch sogar so eine minderbemittelte Gans wie du schaffen.“
„Vielleicht lassen wir ihn einfach noch ein paar Minuten stehen, damit er abkühlen kann?“, schlug ich freundlich vor und spürte, dass mein Unterlid zu zucken begann.
„Du weißt wohl immer alles am besten, du neunmalkluge Bastardprinzessin!“, warf sie mir an den Kopf, als ich ihr die Tasse abnahm und sie auf dem Nachttisch abstellte.
Ich fuhr zu ihr herum. „Warum nennst du mich so?“
„Weil du mir das Offensichtliche als deine ureigene Idee verkaufen willst, du Idiotin.“
„Nicht das. Das andere. Bastardprinzessin“, wiederholte ich betroffen.
„Weil du eine bist.“ Damit lehnte sie sich genüsslich zurück und schloss die Augen, aber ich konnte sehen, dass sie mich durch ihre weißen Wimpern hindurch beobachtete.
„Bin ich nicht!“, log ich entrüstet.
„Ach ja?“ Sie lachte geringschätzig auf. „Ich bin nicht so ein debiles Gemüse wie Taminee und durchaus noch fähig, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Deine liebe Mutter hat sich während ihrer Studienzeit von irgendeinem dahergelaufenen Taugenichts schwängern lassen und versucht uns jetzt, dich verzogene Großstadtgöre als verlorene Tochter anzudrehen. Dass ich nicht lache!“ Dann, in völlig anderem Tonfall: „Kratz mir mal den linken großen Zeh, Bastardmädchen.“
Ich war vollkommen verblüfft, dass diese bösartige Schabracke hinter Atalantes großes Geheimnis gekommen war, obwohl sie sich in ihrem Klinikzimmer so abseits vom Schuss befand. Wahrscheinlich hatte sie hier zu viel Zeit, über alles nachzudenken. Oder, wahrscheinlicher, sie hatte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen: Sie würde nach ihrem Ableben seine Urlaubsvertretung übernehmen müssen – was ein Klacks für sie sein dürfte –, dafür hatte er ihr dieses kleine, pikante Detail ins Ohr geflüstert.
Aber ich war auch unglaublich wütend. Meinen Vater als Taugenichts zu bezeichnen, noch dazu als dahergelaufenen – das durfte niemand wagen. Ich kochte innerlich, während ich ihre Bettdecke am Fußende zurückschlug, um mich ihrem hassenswerten Zeh zu widmen, und konnte nicht mehr an mich halten. Zornig stieß ich zwischen den Zähnen hervor: „Hättest du vor fünfzig Jahren mal den armen Dante rangelassen, wärst du jetzt nicht so ein verbittertes altes Weib.“
„Was war das?“ Plötzlich saß sie aufrecht im Bett und sah mich mit wachsamen Augen an.
„Nichts“, murmelte ich müde.
Alte Damen beschimpfen. Schäm dich, Ell.
„Was hast du gesagt? Sag's noch einmal.“
„Nein. Was ich gesagt habe, tut mir leid, und ich werde es nicht wiederholen“, sagte ich entschieden.
„Was ist mit Dante? Kennst du ihn?“ Sie war mit einem Mal wie ausgewechselt. So munter hatte ich sie noch nie erlebt.
„Was?“ Ich war verwirrt. „Ja, natürlich.“
„Wo ist er? Ist er noch da? Ist er …“ Sie
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