Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Flanellhemden trug und eine kleine, blonde Frau um die Vierzig. Während meiner Teilzeiterntetätigkeit lernte ich beide kennen. Sie, Cosima, besser als ihn, weil sie es sich zum Ziel gemacht hatte, in Themiskyra aufgenommen zu werden, und mir unentwegt Löcher in den Bauch fragte. Ich hatte meine liebe Not ihr zu erklären, dass die Amazonen kein exklusiver Club waren, dem man beitreten konnte, sondern dass man in dieses System einfach hineingeboren wurde.
Während es Mato offensichtlich gelungen war, von Polly mittlerweile nur noch mit Gleichgültigkeit und nicht mehr mit offenem Hass bestraft zu werden, hatte ich keine entsprechenden Erfolge bei ihr erzielen können. Sicher, sie behandelte auch mich, als sei ich Luft, aber sie war neben Tetra meine Hauptbezugsperson unter den Amazonen gewesen. Es schmerzte mich nicht nur, dass ich den Zugang zu meiner einzigen leiblichen Schwester verloren hatte, ohne sie war mein Leben auch um ein erhebliches Maß langweiliger geworden. Polly schrieb ich ebenfalls einen verzweifelten Brief, aber auch bei ihr erntete ich keine Reaktion.
Corazon und Victoria hatten sich damit abgefunden, dass sie entweder mit mir oder mit Polly etwas unternehmen konnten. Und da ich diese Aufgabe nicht übernehmen konnte, bestärkte ich sie darin, sich vor allem um meine Schwester zu kümmern. Ich war ohnehin keine gute Gesellschaft. Mein Herz wog tausend Tonnen und es brauchte schon einen ziemlich guten Scherz von einem der Mädels, um mich sein Gewicht für ein paar Minuten vergessen zu lassen.
Die Tradition unserer Familienausflüge am Wochenende hatten wir seit unserer Rückkehr nicht wieder aufgenommen; ich ritt nur ein paar Mal mit Tetra aus, wenn es mein verdrehter Zeitplan zuließ, und war froh, dass zumindest sie mich in Ruhe ließ, was mein scheinbar seltsames Verhältnis zu meiner Schwester anbelangte.
Ich sah, dass Atalante sich große Sorgen machte. Polly war zwar wohlauf und verhielt sich allen anderen gegenüber wie früher. Aber unsere Mutter bemerkte genauso wie ich, dass es Momente gab, in denen sie scheinbar körperlich und geistig stehenblieb und düster ins Nichts starrte. Sie war zu jung für einen Gesichtsausdruck wie diesen, aber auf der anderen Seite war sie auch zu jung für das, was sie hatte erleben müssen – wenn es überhaupt ein Alter dafür gab.
„Und wie geht es dir ?“, fragte Atalante, nachdem sie eines Nachmittags erfolglos versucht hatte, mich über Pollys Befinden auszuquetschen.
„Mir?“ Einen Moment lang war ich mit der Frage überfordert.
„Dir.“
„Gut.“ Ich setzte mein überzeugendstes Lächeln auf.
„Aella. Ich sehe doch, wie sehr dir Pollys Zustand zusetzt und wie erschöpft zu bist. Sind dir die Nachtdienste zu viel?“ Ihr Blick war so ehrlich, so besorgt, so einfühlsam, dass ich fast die Wahrheit gesagt hätte. Noch nie zuvor hatte ich mir so sehr eine normale Mutter gewünscht. Eine Nicht-Amazonen-Mutter.
Wie heißt er denn? würde die Nicht-Amazonen-Mutter fragen und wissend lächeln.
Louis, würde ich sagen. Ich habe ihn angelogen und jetzt hasst er mich.
Und dann würde sie diesen einen dummen Satz sagen, sinnlos und platt und er würde trotzdem guttun. Weil sie mich in den Arm nehmen und mich damit trösten würde. Andere Mütter haben auch schöne Söhne.
Ich schluckte. „Nein, kein Problem.“
„Liegt dir sonst etwas auf dem Herzen?“
Manchmal habe ich das Gefühl, dass mir die ganze Welt auf dem Herzen liegt, aber das liegt nur daran, dass Louis es zurückgewiesen hat. Und dir kann ich es nicht ausschütten. Obwohl ich gerade nichts lieber täte als das. Aber vielleicht hätte ich es dennoch tun sollen. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Atalante eindringlich.
Nein. Selbst wenn du jetzt alle geltenden Regeln ändertest, wäre es zu spät. Ich schüttelte den Kopf. „Danke. Ich komme schon klar.“
Sie sah mich skeptisch an. „Hm. Aber wenn du deinen Dienst in der Klinik um ein paar Wochen verschieben willst, sag mir einfach Bescheid.“
„Mach dir um mich keine Sorgen. Der Dienst ist in Ordnung.“
Das war sogar die Wahrheit. Die Arbeit in der Klinik war im Grunde wirklich ein lockerer Job, meist passierte einfach gar nichts, außer dass die alten Damen nach mir klingelten, weil sie auf die Toilette mussten oder Durst hatten – oder in Taminees Fall Lust auf einen kleinen mitternächtlichen Schwatz bei einer Tasse imaginären Kopi Luwaks. Sie freute
Weitere Kostenlose Bücher