Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Kerl erledigt?“ Ihre hasserfüllte Miene ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sie sich selbstpersönlich und unverzüglich darum kümmern würde, wenn dem nicht so sein sollte. Aber ich konnte sie beruhigen.
„Erledigt.“
„Gut.“ Nun wirkte sie doch sehr müde und lehnte sich zurück. „Scheiße.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, um sie zu trösten, also gab ich auch ihr einen Kuss auf die Stirn und wünschte ihr eine gute Nacht.
„Wir sehen uns morgen, okay?“
„Okay.“
Danach führte mich mein Weg in die Arbeiterstation hinüber, aber Dante schlief.
„Es geht ihm gut. So gut, dass er zweimal ausgebüxt ist. Ich habe ihn drüben in der Pflegestation wieder aufgegabelt, beide Male.“ Die Krankenschwester schüttelte verwundert den Kopf. „Aber jetzt schläft er so friedlich, dass ich ihn nicht wecken möchte. Morgen kann er jedoch ohne weiteres zurück.“
Wieder atmete ich auf und bedankte mich. Die Aufräumarbeiten im Hof waren für den Augenblick beendet, doch obwohl ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte, hatte ich noch ein weiteres Ziel an diesem Abend, bevor ich mich selbst hinlegen konnte – wie es aussah, in Graces Bett oder in Pollys Übergangszimmer, aber ich war so erschöpft, dass ich notfalls auch auf dem winzigen harten Sofa in der Bibliothek ohne Schwierigkeiten Schlaf finden würde. Doch zuvor musste ich Louis sagen, dass er sich um Dante keine Sorgen machen brauchte.
Bei den Arbeiterquartieren angekommen, stellte ich fest, dass er noch nicht da war. Ich zündete die Laterne auf der Veranda an, setzte mich auf die Treppenstufen vor dem Haus und wartete auf ihn. Andere Arbeiter blickten mich auf dem Weg in ihre Hütten neugierig an, aber das ließ mich kalt.
Der Regen wurde stärker. Er trommelte auf die Dächer der Hütten und löste den Rauchgeruch aus der Luft, aber ich zog mich nicht unter das Vordach zurück, sondern sah zu, wie das Wasser das Blut von meiner Haut löste und in kleinen Bächen mit sich trug. Ich schloss die Augen, hob mein Gesicht zum Himmel, obwohl mir die vielen, dichten Tropfen wie Nadeln ins Gesicht stachen, und ließ alles davon waschen, Ruß, Blut, Dreck, Schweiß, Herz, Verstand … Schuld …?
Ich wusste nicht, was ich fühlen sollte. Einerseits war ich unendlich erleichtert, dass wir Themiskyra verteidigen hatten können, dass Tetra überlebt hatte und auch Polly nichts passiert war. Andererseits waren das Entsetzen über den Brand und den Angriff, die Trauer um die Toten und die Gewissheit, dass ich getötet hatte, kaum zu ertragen. Ich wollte jubeln, aber ich konnte nicht; ich wollte meinen Kummer in die Welt schreien, aber ich konnte nicht.
Das kleine Leben in mir leuchtete heller denn je. Aber wie viele andere waren heute für immer verloschen? Und bei wie vielen trug ich die Schuld daran? Es war egal, ob sie es verdient hatten oder nicht. Auf dieser Ebene gab es kein Gut oder Böse. Es gab nur Licht oder Dunkelheit. Existenz oder Nicht-Existenz. Leben oder Tod. Sicher war nur, dass sie meins und das Licht der Meinigen ausgelöscht hätten, wenn wir ihnen nicht die ihren genommen hätten.
Als ich endlich Schritte hörte, brauchte ich die Lider nicht zu öffnen, um zu wissen, dass es Louis' waren. Ich hörte das Holz der Treppe knarzen und spürte, dass er sich neben mich setzte.
„Dante geht es gut. Er hat sich wohl zweimal heimlich zu Philippa geschlichen, aber jetzt schläft er und die Krankenschwester wollte ihn nicht wecken“, teilte ich ihm nüchtern mit, ließ mein Gesicht aber weiter vom Regen überspülen. Kaltes, gutes, sauberes Wasser.
Er atmete lang aus. „Gut. Danke dir“, hörte ich ihn erleichtert sagen, dann das leise Geräusch von Metall auf Holz. „Ich habe dein Schwert mitgebracht.“
„Danke.“ Kurz musste ich überlegen, wo ich es zuletzt gelassen hatte … aber dann verdrängte ich die Erinnerung ganz schnell wieder. Ich weiß nicht, wie lange wir schwiegen, aber als Louis wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme so erschöpft, dass ich nun doch die Augen öffnete und ihn ansah.
„Juri und ich haben ihn im Wald begraben und nicht auf dem Arbeiterfriedhof.“ Er war genauso durchnässt wie ich und schien sich genauso wenig darum zu scheren. Nachdenklich starrte er in die Dunkelheit. Regen tropfte unablässig von einer seiner Haarsträhnen, auf die ich meine ganze Konzentration richtete, um nichts anderes denken zu müssen. Ich hätte sie gerne weggestrichen, aber ich fürchtete um das
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