Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Verzweiflung fühlen und der entsetzlichen Angst vor dem Verlust.
„Nein, nichts wird gut, wenn du es mir nicht versprichst. Bitte. Versprich! Es! Mir!“ Mit jedem Wort versetzte ich ihm einen Stoß mit den Handflächen gegen die Brust, dann gab ich auf, schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus.
Louis drückte mich an sich und ich ließ es geschehen. Ich war so erschöpft, dass ich ansonsten einfach umgefallen wäre. Sein Duft und seine Wärme drangen durch den rauen Stoff seines Hemdes an meine Wange, das, egal wie viel ich weinte, nicht noch nasser werden konnte. Dennoch wollte es meine Seele offenbar auf einen Versuch ankommen lassen.
Ich weinte um meine gefallenen Schwestern und um Mato, um das Versprechen, das ich nicht bekommen hatte, und unsere verlorenen Vorräte, ich weinte vor Erleichterung, dass wir überlebt und Polly mir verziehen hatte, und ich weinte vor Glück, weil Louis vielleicht doch recht hatte und alles gut werden könnte. Und weil er mich nicht nur nicht mehr ignorierte, sondern sogar umarmte, obwohl ich null sexy mehr aussah. Der Gedanke war es, der die Tränenflut irgendwann stoppte. Die ganze Zeit hatte er mich im Arm gehalten, und jetzt, als ich mein mit Sicherheit entsetzlich verquollenes Gesicht hob, küsste er mir jede einzelne Träne von der Haut.
„Es werden nicht weniger“, stellte er fest und lächelte mich an.
„Das liegt am Regen.“
„Ist dir kalt?“ Er rubbelte mir mit beiden Händen über die Arme.
„Nein.“ Meine Gänsehaut entlarvte meine Lüge, aber ich wollte jetzt nicht nach Hause. Nur den Hof zu überqueren, der in meiner Erinnerung immer ein Schlachtfeld bleiben würde, war undenkbar. Er sah mich vielsagend an. „Ein bisschen“, gab ich zu und holte Luft, um zu beteuern, dass es halb so wild sei und ich die halbe oder auch ganze Nacht mit ihm im kalten Regen meinem extrem bequemen Bibliothekssofa jederzeit vorziehen würde. Ich kam nicht dazu. Seine Finger verflochten sich mit den meinen und er zog mich mit sich die Treppenstufen zur Veranda hoch.
Im Haus klang der Regen noch dramatischer als draußen, man hörte ihn laut auf das dünne Dach der Hütte prasseln. Sobald Louis ein paar Kerzen angezündet hatte, suchte ich mal wieder zweifelnd die Decke und den Boden nach undichten Stellen und nassen Flecken ab. Aber die einzigen Pfützen stammten von dem Wasser, das wir selbst von draußen hereingebracht hatten.
Der vertraute Geruch der Hütte hüllte mich in Geborgenheit. Holz und alte Bücher und Kerzen und Louis. Etwas Weiches wurde mir in die Hand gedrückt, das ich als großes Handtuch identifizierte. Louis' Handtuch.
„Was machst du?“ Er war dabei, Feuer im Ofen anzufachen, und wunderte sich offenbar darüber, dass ich einfach nur still dastand.
„Ich schnuppere.“
„Das war eigentlich nicht zum Schnuppern, sondern zum Abtrocknen gedacht.“
„Abtrocknen kann ich mich jeden Tag. Dich hab ich viel zu lang nicht riechen dürfen.“
Er schloss kopfschüttelnd die Ofentür, nahm mir das Handtuch wieder aus den Händen und wickelte mich darin ein.
„Besser?“
„Ja.“ Ich schloss die Augen und lehnte mich an ihn, doch sofort stürzten Bilder von der Schlacht auf mich ein, und ich riss sie wieder auf. „Ich kann nie wieder schlafen.“
„Warum?“
„Ich kann die Augen nicht zumachen.“
Auch Louis schloss für einen Moment die Lider, sie zuckten, dann öffnete er sie schnell wieder. „Stimmt.“
Er umfasste mein Gesicht mit seinen Händen und legte seine Stirn an meine. Seine Augen verschmolzen zu einem dunklen verschwommenen Fleck. Ich ließ mich in diese ruhige Dunkelheit ziehen, die keine Albtraumbilder barg, fühlte unsere Verbindung wie ein unzerreißbares Band darin leuchten. Wir standen ganz still und für eine gewisse Zeit dachte ich einfach gar nichts.
Es war nur eine federleichte, vermutlich unbewusste Berührung, die mich aus meiner Ruhe riss, eine winzige Bewegung von Louis' kleinem Finger, der über meinen Hals strich, und eine angenehme Schwingung in meinem Inneren auslöste. Aus der Finsternis wurde Glut – und mir wurde warm.
Ohne nachzudenken ließ ich das Handtuch fallen, warf meine Arme um seinen Hals und zog seinen Kopf zu mir herunter, bis sich unsere Lippen berührten. Und so, wie ich zuvor nicht hatte aufhören können zu weinen, konnte ich jetzt nicht aufhören, ihn zu küssen. Mit jedem Kuss schien sich mehr von dem erlebten Schrecken aufzulösen, konnte ich meine Trauer zumindest
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