Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Einwände erheben konnte, hatte mich Sevishta schon mit routinierten Handbewegungen wieder am Infusionsschlauch angeschlossen und versetzte die Kochsalzlösung mit etwas, von dem ich inständig hoffte, dass es mich so hochdosiert nicht um die Ecke bringen würde.
No risk, no fun, echote Polly in meinem Kopf und schon dämmerte ich wieder ins Dunkel hinüber.
Die ersten Stunden schlief ich wie erschlagen. Danach fiel ich in einen unruhigen Halbschlaf. Ich träumte wirre, verstörende Dinge, die jedoch so flüchtig waren, dass ich sie nicht erfassen konnte, wenn ich schweißgebadet erwachte – falls ich überhaupt erwachte. Vielleicht waren die Wachphasen, in denen ich glaubte, dass der Raum voll lebendiger, auf mich einstürzender Schatten war, auch nur Albträume.
Erneut schreckte ich aus undefinierbarem Grauen empor. Offenbar hatte die Wirkung des Medikaments nachgelassen, denn brennender Schmerz wühlte wieder in meinen Wunden, obwohl der Rest meines Körpers und mein Geist noch wie betäubt waren. Gerade, als ich mich wieder zurücklehnen wollte, nahm ich im Augenwinkel wahr, wie sich die Tür öffnete und eine Gestalt geräuschlos ins Zimmer glitt.
Nicht schon wieder. Ich wusste, dass es nur ein Albtraum war, aber ich war zu benebelt, um mich selbst aus ihm herauszureißen, deswegen machte ich nur die Augen zu und beschloss, den grusligen Besucher zu ignorieren. Irgendwann würde die Sonne wieder aufgehen und alle Schreckgestalten in Wohlgefallen auflösen. Allerdings hatte ich mal gehört, dass die Zeit im Traum viel schneller verging. Das heißt, wenn ich fünf Stunden schlafen musste, bis es wieder Tag wurde, konnte das bedeuten, dass ich noch gut und gerne fünfundzwanzig Stunden im Albtraum gefangen war …
Ein Schatten floss über meine Augenlider, schirmte das bisschen Fackellicht von mir ab, das aus dem Hof durch das Fenster drang. Ich schluckte.
Plötzlich fühlte ich eine leichte Berührung an meiner Hand.
Zu real, stellte mein Verstand fest und das war der Hinweis, den ich brauchte, um vollends in Panik zu verfallen. Ich riss die Augen auf und holte Luft, doch eine Hand presste sich auf meinen Mund, erstickte den Schrei, der sich in meiner Kehle aufgebaut hatte und zweifelsohne die gesamte Belegschaft der Klinik auf den Plan gerufen hätte. Ohne meine Verletzungen zu beachten, bäumte ich mich auf und kämpfte gegen die Hand an, aber ich schaffte es kaum, meine bleischweren Arme zu heben.
„Ell. Schsch! Ich bin's.“
Ich erkannte Louis' Stimme im selben Moment, in dem ich seinen Duft wahrnahm, und hörte auf, mich zu wehren. Er nahm seine Hand weg, doch ich konnte nichts erwidern, denn sie wurde augenblicklich durch seine Lippen ersetzt.
Schmetterlinge, unbeeindruckt von Medikamenten jeglicher Art, stoben auf. Sie vertrieben meine Benommenheit zumindest soweit, dass es mir gelang, mich mit einer Hand an ihm festzuklammern, während sich die andere an seine Brust drückte und mit grenzenloser Erleichterung das Klopfen seines Herzens erspürte. Nicht, dass ich gedacht hätte, dass er als Zombie in mein Krankenzimmer gewackelt gekommen wäre, aber es war die letzte Versicherung, die ich noch brauchte, um wirklich zu realisieren, dass er überlebt hatte.
Erst, als er mir Feuchtigkeit von den Wangen streichelte, merkte ich, dass ich weinte.
„Entschuldigung. Das liegt an den Drogen, die sie mir hier verabreichen.“ Ich wollte es nicht einreißen lassen, dass ich bei jedem unserer kostbaren Treffen in Tränen zerfloss, das machte mit Sicherheit keinen guten Eindruck.
„Wie geht es dir?“, fragte er besorgt.
„Mir?“ Ich schüttelte den Kopf. „Wie geht es dir ? Louis, es tut mir leid! Ich habe mich mit Atalante gestritten und sie ist durchgedreht … Was haben sie mit dir gemacht? Was ist mit deinem Bein? Und der Wunde am Kopf?“ Ich strich ihm die Haare zurück, aber in der Finsternis konnte ich nicht erkennen, wie schlimm die Verletzung war.
„Alles halb so wild.“
„Es tut mir so leid.“ Ich zögerte, sagte es dann aber doch. Ich musste wissen, woran ich war. „Bereust du … was wir getan haben?“
Vorsichtig schob er seine Arme unter meinen Rücken und zog mich an sich. Ich war so schwach, dass ich es geschehen ließ, ohne mitzuhelfen. Schon die paar Zentimeter Höhendifferenz zwischen Liegen und Sitzen überforderten meinen Kreislauf. Mein Sichtfeld wurde von grauem Rauschen überlagert, bis ich Louis' nahe, liebevolle Augen wieder wahrnehmen konnte.
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