Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Die Jugend hat einfach keinen Stil.“ Sie schüttelte indigniert den Kopf.
Meine Erinnerung kam mit einem Schlag zurück und mein Herz begann vor Schreck und Glück in meiner Brust zu flattern. Louis lebte! Plötzlich hatte ich ein Lachen im Bauch, aber als ich den Mund öffnete, um es auf die Welt loszulassen, schoss mir erneuter Schmerz durch die Muskeln. Die akute Heiterkeit verging mir. Ich hob die Decke, schob das alberne Krankenhemdchen hoch, in das man mich gesteckt hatte, und fand meinen Unterbauch mit allerlei weißen Kompressen abgeklebt. Außerdem entdeckte ich in meinem linken Handrücken eine schlauchlose Infusionsnadel und stellte fest, dass meine Hände und Arme bandagiert waren und wehzutun begannen. Offenbar waren sie schon mit der Last der leichten Deckte überfordert, also ließ ich sie wieder sinken.
Aber ich verstand immer noch nicht, was genau passiert war. „Wieso sollte ich mir keine Sorgen machen?“
„Weil ich mich um die Sache gekümmert habe.“
„Wie das?“
„Nun, ich habe unserer lieben Paiti ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen konnte.“
„Du hast sie erpresst?“ Ich riss die Augen auf. „Womit?“
„Ganz Themiskyra und alle Gemeinschaften des Landes hätten erfahren, wie tugendhaft und ehrlich die Unbeugsame wirklich ist, wenn sie von ihrem Vorhaben nicht abgelassen hätte.“
Ich begriff es immer noch nicht. Philippa war böse und hatte vielleicht einfach Freude daran, anderen bösen Menschen, wie beispielsweise Atalante, einen Strich durch die Rechnung zu machen, aber dass sie zu solchen Mitteln greifen würde, ging mir nicht in den Kopf. „Nur um Louis zu retten?“
Sie gab einen knurrenden, abwertenden Laut von sich und winkte ab. „Der elende Nichtsnutz geht mir sonstwo vorbei. Aber er muss sich um seinen Vater kümmern, das ist mir persönlich wichtig, deshalb muss er am Leben und in Themiskyra bleiben. Und Dante hat mich gebeten, etwas zu unternehmen, also habe ich beschlossen, meinen Einfluss auf Atalante unter Berücksichtigung der delikaten Details auszutesten, die ich dank dir in Erfahrung bringen konnte. Sie wird ihm kein Haar krümmen.“
„Dank mir? Das stimmt nicht und das hast du ihr hoffentlich auch nicht so erzählt!“ Sonst konnte ich gleich wieder ein Fenster einwerfen und einen erneuten Versuch wagen …
„Jajaja. Du bist fein raus, dafür habe ich schon gesorgt. Immer gleich die panische Spitzmaus.“
Das war wohl der netteste Tiername, mit dem sie mich je bedacht hatte. Ihre Miene entglitt ihr und für einen kurzen Moment sah ich Milde und Sorge darin. Sie würde es bestreiten, aber ich wusste, dass sie es, wenn auch nur zu einem geringen Bruchteil, für mich getan hatte.
„Danke“, sagte ich aus tiefstem Herzen.
„Dank mir nicht. Du wirst trotzdem in dein Verderben stürzen, soviel ist sicher. Und ich hoffe, du bist dir bewusst, dass du für mich als vollwertige Amazone gestorben bist. Dich mit einem Mashim einzulassen! Wie primitiv.“ Sie verzog angewidert das Gesicht.
Aber mich konnte sie nicht provozieren. „Du lässt dich doch selber mit einem ein.“ Außerdem glaubte ich nicht mehr an Verderben durch Liebe.
„Ha!“, fuhr sie mich an. „Mein Leben ist vorbei, da kann ich es auch nochmal krachen lassen. Aber du bist einfach nur dumm. Du hast die Aussicht, Paiti der größten hiesigen Amazonengemeinschaft zu werden, auf Macht, Ruhm und Ehre, aber stattdessen verlierst du dein Herz und pfuschst bei den Konsequenzen. Armselig.“ Brüsk wendete sie ihren Rollstuhl. „Und deine Schwester ist eine Pennschnecke sondersgleichen. Falls sie in diesem Jahrhundert noch einmal auftaucht, sag ihr, sie soll mir den Tee auf mein Zimmer bringen. Und zwar flott.“
Kopfschüttelnd und wütend vor sich hin murmelnd verließ sie den Raum, ohne mich eines weiteren Blicks zu würdigen. Keine Minute später erschien Deianeira. Sie stellte ein Tablett mit Essen auf dem Nachttisch ab, fuhr das Kopfteil meines Betts hoch und drehte die flexible Tischplatte so zu mir, dass ich im Liegen essen konnte. Unter der Abdeckhaube kamen gegrilltes Fleisch und dampfendes Gemüse zum Vorschein; es roch gut und mein Magen knurrte, aber ich hatte keinen Appetit.
„Alles klar bei dir?“, fragte sie und sah mich prüfend an.
„Ja. Danke fürs … Zusammenflicken.“ Widerwillig aß ich eine Gabel Gemüse, dann schwenkte ich die Tischplatte wieder von mir weg.
„Dafür bin ich hier. Du hast eine Arterie erwischt und jede Menge Blut verloren.
Weitere Kostenlose Bücher