Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
vorhalten.“
„Unersättlich“, hörte ich ihn murmeln, dann spürte ich nur noch seine Küsse, von denen ich mir jeden einzelnen für die schrecklichen kusslosen Stunden einzuprägen versuchte, die vor mir lagen.
Als ich einige Tage später in der Administration anfing, erklärte Tetra mir anfangs die grundsätzlichen Abläufe der Verwaltung und gab mir kleinere, relativ stupide Aufgaben wie das Abheften von Unterlagen oder das Abschreiben irgendwelcher Listen. Bald darauf schickte Atalante mich dann aber in die Bibliothek, um meine Argumentation auszuarbeiten, die der Arbeiterschaft Themiskyras eine bessere Zukunft bescheren sollte.
Als Quelle berief ich mich auf Dante, auch wenn ich mich das eine oder andere Mal im Gespräch mit Atalante fast verplappert und Louis erwähnt hätte – wie spät er manchmal von der Arbeit zurückkam, dass er einen Teil seines Essens seinem Ziehvater abgab, dass er in Themiskyra aufgewachsen war, aber keinen Zugang zu einer richtigen Schulausbildung erhalten hatte – all das musste ich für mich behalten oder geschickt umformulieren, um mich nicht zu verraten. Wichtig war, dass ich alles so hindrehte, dass sich ein Vorteil für Themiskyra daraus ergab, und dass der Nutzen für die Arbeiter im Hintergrund stand. Alle zwei bis drei Tage sprach meine Mutter die Ergebnisse meiner Arbeit mit mir durch, entkräftete das eine Argument, bestätigte das andere.
Abends schmerzte mein Rücken, der das lange Sitzen nicht gewohnt war, und meine Augen wurden in der staubigen Luft zwischen all den Büchern trocken. Aber ich hatte ein Ziel und so ignorierte ich Staub und Schmerzen und arbeitete oft noch nach dem Abendessen weiter. Meine Freundinnen hatten sich schon daran gewöhnt, dass ich im dritten Stock Bücher wälzte, anstatt mit ihnen im Atrium oder unserem Zimmer herumzualbern, sodass sie nicht mehr nach mir fragten. Dadurch konnte ich mich relativ einfach zu meinen Treffen mit Louis stehlen, ohne dass Fragen kamen.
Bei all dem verlor ich aber nicht mein zweites Ziel aus den Augen: Details über Louis' Vater herauszubekommen. Immer, wenn ich bei meinem anderen Projekt nicht weiterkam, stand ich auf und wanderte durch die Reihen der Bücherregale, durchsuchte alle Schränke und Schubladen der Bibliothek auf der Suche nach Aufzeichnungen über die totgeschwiegenen männlichen Familienmitglieder der Amazonen. Ich fand nur, was man üblicherweise in Bibliotheken findet – Bücher. Die delikateren Informationen und handschriftlichen Abfassungen befanden sich wahrscheinlich in Atalantes Studierzimmer, wo ich jedoch nicht einfach herumstöbern konnte, zumindest nicht jetzt, da sie zu Hause war und ständig dort auftauchen konnte.
Schließlich kam mir der Zufall zu Hilfe. Eines Nachmittags schlich ich mich in Atalantes Raum. Sie selbst hatte sich bei mir abgemeldet, um sich in ihr angrenzendes Schlafzimmer zurückzuziehen, weil sie nachts schlecht geschlafen hatte und sich nun eine Weile hinlegen wollte. Das war meine Chance. Ich wusste nicht, wie viel Zeit ich hatte, deswegen beeilte ich mich und ging geradewegs zu ihrem Schreibtisch. Wie üblich herrschte Chaos darauf, aber ich beachtete es nicht weiter, sondern konzentrierte mich gleich auf das schmale Querfach, das sich direkt unter der Tischplatte befand. Ich begann vorsichtig zu wühlen. Ernteberichte. Wetteraufzeichnungen. Aufstellungen über den Bestand an Handfeuerwaffen im Arsenal und den Wertzuwachs mir unbekannter Grundstücke. Ein Brief von der Weitblickenden Alkippe – meiner Oma, dachte ich, und fand es seltsam – an meine Mutter. Ich brachte es nicht über mich, ihn zu lesen. Spionage war das eine, Herumschnüffeln in wirklich persönlichen Dingen das andere. Ich bemühte mich gerade, einen kleinen Block von ganz hinten aus dem Fach herauszumanövrieren, als die Tür aufging. Erschrocken sprang ich auf die Füße.
Kapitel 3
„Atalante? Wir müssen noch …“ Tetra stand im Zimmer, hielt weitere ominöse Papiere in der Hand und sah mich überrascht an. „Ah, Ell, gut dass du da bist. Ich habe noch einen Anschlag auf dich vor. Was ist los? Du bist so blass – geht’s dir nicht gut?“
„Doch!“, beeilte ich mich zu sagen. „Mir geht es bestens. Ich wollte mir einen Stift holen, habe meinen zwischen all dem Staub in der Bibliothek wohl verloren.“
Tetra verzog das Gesicht. „Es wird wohl bald mal wieder Zeit, dort ordentlich abzustauben. Bist du während des Feuermonds nicht für die Wäscherei und den
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