Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
denken, wenn du mir auf den Kopf zusagst, dass du an diesem archaischen Ritus teilnehmen möchtest. Einem Ritus, dessen zentrales Element beinhaltet, sich von Mitgliedern irgendwelcher obskurer Clans schwängern lassen!“
„Aus einem von denen du entstammst, wie ich dich erinnern möchte, weswegen ich das ganze Theater überhaupt in Betracht gezogen habe!“, fauchte ich und stand empört auf. „Wobei ich natürlich das zentrale Element, wie du es nennst, zu umgehen wüsste.“
Auch Louis sprang auf. „Umgehen!“ Er lachte bitter, aber in seinen Augen flammten Rage und Besitzanspruch. „Glaubst du, das interessiert den Typen, der sich auf zwei Monate freie Liebe eingestellt hat?“
Das wurde ja immer besser. Jetzt war ich also nicht nur eine Schlampe, sondern noch dazu ein hirn- und wehrloses Frauchen – und ich wusste nicht, welche Anschuldigung mich mehr verletzte. Es entsetzte mich, dass er so von mir dachte, und es verschlug mir den Atem und die Worte. Wir starrten uns stumm an, wie erbitterte Gegner.
„Keine Sorge, ich habe gelernt mich zu wehren“, erwiderte ich schließlich und hob energisch mein Kinn. Louis' Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Ich erlaube dir nicht, dich als Yashta zur Verfügung zu stellen“, sagte er mit fester Stimme.
Das schlug dem Fass den Boden aus.
„Es steht dir nicht zu, mir irgendetwas zu erlauben oder zu verbieten“, schleuderte ich ihm eisig entgegen. „Aber keine Angst, ich habe ohnehin keinerlei Veranlassung mehr dazu.“ Damit riss ich meine Tasche vom Baumstamm hoch und rannte davon.
Als ich mich blindlings durchs Dickicht kämpfte, die Augen verschleiert von Wut und Tränen, fiel mir auf, dass ich mich zum ersten Mal ernsthaft der Vokabel zustehen bedient hatte, die ich hasste, weil sie die Welt der Amazonen von der der Arbeiter trennte. Aber hier ging es nicht um den Klassenkampf, hier ging es um Frau und Mann, um Louis und mich, und ich hörte Pollys Worte in meinem Kopf widerhallen Ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Männern und Frauen ist eine Utopie … Konnte sie doch recht haben?
Lauf zurück, flehte das Höhlenweibchen. Bitte ihn um Verzeihung. Du liebst ihn doch. Wer liebt, muss Zugeständnisse machen. Stolz tötet die Liebe.
Um Verzeihung bitten? Wofür?! Die Amazone in mir tobte. Er hat sich zu entschuldigen. Lauf weiter, lass ihn um dich kämpfen, verzeih ihm meinetwegen, wenn du ihm gnädig gestimmt bist, aber kehr nur um, wenn du ihn zum Teufel schicken willst. Fehlender Stolz tötet das Ich.
Das Ich schien mir in diesem Augenblick wohl schützenswerter als das, was ich bis vor kurzem noch für so etwas wie Liebe gehalten haben mochte. Unbeirrt setzte ich meinen Weg fort und erreichte schließlich die Stelle, an der das Unterholz lichter wurde und Hekate auf mich wartete.
Aufgelöst wie ich war, dauerte es einen Augenblick, bis ich im Zwielicht die Gestalt wahrnahm, die bei meinem Pferd stand. Ein kräftig gebauter Mann mit dunkler Kleidung, der mir den Rücken zugedreht hatte und sich am Zaumzeug der Aspahi zu schaffen machte. So selten verirrten sich Menschen in diesen Teil des Waldes, dass ich die Möglichkeit zuvor noch gar nicht in Betracht gezogen und das Offensichtliche zuerst nicht fassen konnte: Der Typ wollte mein Pferd stehlen! Und Hekate, das Schaf, ließ es einfach geschehen, anstatt dem Kerl einen ordentlichen Tritt zu verpassen.
Eine Sekunde lang blieb ich wie erstarrt stehen … Dann war der Moment der Verblüffung vorüber, der meine Wut kurzzeitig gedämpft hatte, und sie loderte erneut auf. Mit doppelter Energie. Ich ließ meine Tasche fallen, rannte los, riss den ' Shim, der ein gutes Stück größer als ich war, mit einem Kampfschrei herum und verpasste ihm zuerst einen Kinnhaken und dann einen gut gezielten Schlag in den Solarplexus. Hekate wieherte nervös auf und galoppierte ein paar Schritte weg. Mein Angriff war für den Typen völlig überraschend gekommen, er krümmte sich zusammen und schnappte nach Luft. Ich nutzte die Gelegenheit – ein Tritt ins Kreuz ließ seinen Kopf in schwungvollen Kontakt mit dem Baumstamm einer nahegelegenen Eibe treten. Das gab ihm den Rest. Er brach bewusstlos zusammen.
„Von wegen hilflos“, murmelte ich zufrieden und verspürte Triumph in mir aufsteigen. Zusammen mit einer dunklen Ahnung. Rasch kniete ich mich neben ihn, hob seinen regungslosen, schweren Arm vom Boden hoch und schob den Ärmel seines verdreckten Pullovers zurück. Auf der Innenseite seines Unterarms
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