Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
traten ungewohnt behutsam auf, leise Stimmen beratschlagten sich, dann war es wieder ruhig und der Raum leer bis auf meine Mutter und mich. Sie sagte nichts und starrte nur ins Leere, also ging ich auf sie zu. Erst, als ich direkt vor ihr stand, schien sie meine Anwesenheit zu bemerken.
„Bei welcher Gruppe soll ich mitreiten?“, wiederholte ich.
Sie seufzte. „Bei gar keiner. Erhol dich erst einmal, dann sehen wir weiter.“
„Ich muss mich nicht erholen, ich muss Polly finden!“, rief ich. „Du kannst mich nicht zur Untätigkeit verdammen, wenn sie irgendwo da draußen ist und …“ Ich schluckte. Ich wollte diesen Satz nicht vollenden.
Auch sie erhob ihre Stimme: „Aella, ich werde ganz sicher nicht zulassen, dass du dich auch noch in Gefahr begibst.“
„In Gefahr?“ Das klang nicht so, als würde sie davon ausgehen, dass Polly vom Pferd gestürzt sei. „Was meinst du? Hast du eine Vermutung, was geschehen sein könnte?“
Sie zögerte. „Ich habe keine Vermutung. Aber nach dem, was du erzählt hattest, können wir nicht ausschließen, dass sich wieder Vatwaka in der Gegend befinden. Und – egal, ob sie etwas mit Hippolytas Verschwinden zu tun haben oder nicht, ich möchte dich in Sicherheit wissen.“
„Vatwaka.“ Meine Stimme versagte. Das war meine schlimmste Befürchtung und ich hatte es noch nicht gewagt, diese Möglichkeit wirklich zu durchdenken. Sie jetzt aus Atalantes Mund zu hören, machte diese Option mit einem Mal reeller. Möglicher. Schrecklicher. Atalante nahm mein Entsetzen als Bestätigung dafür, dass ich noch nicht fit genug sei, an der Suche teilzunehmen.
„Ich weiß, du willst helfen, aber du hilfst mir im Moment am besten, indem du einfach nur in Sicherheit bist. Hier. In Themiskyra.“
„Wieso schickst du mich überhaupt zum Training, wenn du mir doch nichts zutraust?“, brach es aus mir heraus. „Warum quäle ich mich jetzt seit fast eineinhalb Jahren bei Andromache, Tianyu und Magena ab? Ich muss Polly finden, ich muss, ich muss, ich muss!“ Ich spürte, wie mir Tränen der Verzweiflung in die Augen stiegen.
Atalante legte mir ihre Hand auf die Schulter. „Ich traue dir sehr viel zu, das kannst du mir glauben. Aber … sieh es einfach als selbstsüchtigen Akt meinerseits an. Ich könnte es nicht ertragen …“ Sie pausierte, schien selbst um Fassung zu ringen. „… im schlimmsten Fall beide meiner Töchter zu verlieren.“
„Wenn Polly etwas zustößt, kann ich ohnehin keinen einzigen Tag mehr leben“, stieß ich hervor. Ich war mir der Theatralik meiner Worte bewusst, aber was ich sagte, stimmte. Wenn ihr etwas passieren sollte, würde ich meines Lebens nicht mehr froh werden. Ich war schuld, dass sie alleine geritten war. Und deshalb musste ich versuchen, sie zu finden.
Atalante hob mit ihrer Hand mein Kinn an, um mir in die Augen zu sehen. Die Unerbittlichkeit war in ihren Blick zurückgekehrt. „Sag so etwas nie wieder. Du kannst. Und du wirst, falls du musst. Jetzt keine weiteren Diskussionen. Lass dir noch ein Abendessen geben und dann leg dich schlafen. Wir werden morgen weitersehen. Und das Beste hoffen.“
Es war mir ein Rätsel, wie sie so stark sein konnte. Und es war mir ein Rätsel, wie sie von mir einerseits die gleiche Stärke erwarten konnte, und andererseits, dass ich mich einfach ihren Worten fügen und hier Däumchen drehen würde, während meine Schwester mich brauchte.
„Gut“, erwiderte ich knapp. „Dann gute Nacht.“ Ich wirbelte herum und verließ hinkend den Raum, was meinem Abgang ein wenig die Entschlossenheit nahm.
Ohne zu zögern marschierte ich nach oben, holte mir in der Küche etwas von den Resten des Abendessens, welche ich schnell im Stehen herunterschlang, dann ging ich geradewegs in den Stall. Die Patrouillen waren offenbar schon aufgebrochen, das konnte mir nur recht sein. Ich hatte jetzt keine Nerven für weitere Diskussionen, die mit Atalante hatte mir schon gereicht.
Sie konnte mich nicht aufhalten. Meine Tasche und meinen Dolch hatte ich dabei, mein Schwert befand sich mit etwas Glück noch im Stall …
Und Louis? fragte mein Herz und wühlte schmerzhaft in meiner Brust.
Prioritäten! herrschte mein Verstand es an.
Ich schluckte die plötzliche Beklemmung weg, bog in den Hauptgang, der zu Hekates Box führte und erstarrte. Vor mir stand Tianyu, die gespielt gelangweilt ihre Fingernägel betrachtete und erst nach ein paar Sekunden aufsah, obwohl sie mich schon lange gehört haben musste.
„Wohin
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