Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
der Haut entlang zu fließen, bis zu meinem schnell klopfenden Herzen, von wo aus es sich in meinem ganzen Körper verteilte. Schlagartig war alle Angst und Wut verschwunden und ein paar Sekunden lang fühlte ich nur in mich hinein und versuchte, den Weg zu ergründen, den dieses kribbelnde Leuchten nahm.
Dann gab ich nach. Meine Arme entschränkten sich wie von selbst, meine Finger klammerten sich an seinem Hemd fest und meine Füße stellten sich auf die Zehenspitzen. In dem Moment, in dem ich seinen Kuss erwiderte, strudelten Ströme von Aufregung und Glück durch meine Adern. Mit einem Mal war alles gut.
Bis Louis mir ruckartig seine Lippen entzog. Mit beiden Händen schob er mich von sich weg und ließ mich danach sofort los. Mein Herz, mein ganzer Körper protestierte.
„Verdammt. Nicht gut. Sorry“, stieß er aus und raufte sich die Haare. „Ich …“
„Was geht’n hier ab?“, ertönte eine weibliche Stimme und ich fuhr herum. Vor mir stand eine junge Frau mit langen hellen Dreadlocks. Sie sah nicht zu uns, sondern starrte mit großen Augen den Typen an, der sich vor den Überresten der Theke zusammengerollt hatte.
Mir war alles zu viel. Ich verstand überhaupt nichts mehr. Erst die Panik, dann dieser widersinnige, zauberhafte, dreiste Kuss und jetzt das.
Eins nach dem anderen, sagte mein Verstand.
Ich drehte mich zu Louis um … er war weg. Schnell durchforstete ich die dunklen Ecken des Raums, suchte eine Bewegung, ein Versteck, ein Zeichen, aber da war nichts. Louis hatte sich aus dem Staub gemacht.
„Den kenne ich“, sagte die Frau langsam und zeigte auf den Andrakor, bevor sie den Blick zu mir hob. „Und dich kenne ich auch. Hallo Ell.“
Ich atmete tief durch. „Hi Kala.“
Sie hatte sich verändert. Definitiv. Sie trug Jeans, eine verdreckte, ehemals himmelblaue Marken-Winterjacke, aus der an einigen Stellen das Innenfutter quoll, und – für die Witterung völlig ungeeignet – rosa Flipflops. Ein großer Wanderrucksack hing an einem Träger über ihre Schulter.
„Wo kommst du denn her?“, fragte ich fassungslos.
Sie zeigte mit dem Daumen über ihre Schulter auf eine Tür hinter der Theke, die nun offen stand. „Hab oben gepennt. Aber das Getöse hier unten hat mich geweckt und ich dachte, ich schau mal nach, was los ist.“
Das rief mir wieder in Erinnerung, dass die Gefahr für den Augenblick vielleicht gebannt, aber noch nicht vollständig entschärft war.
„Wir müssen weg von hier.“ Ich schob Kala vor mir her ins Hinterzimmer und versperrte hinter uns die Tür in die Cinemathek. Dann knipste ich meine Taschenlampe an. Irgendwie musste ich es schaffen, Polly zu wecken …
Kala hingegen schien es nicht eilig zu haben. Sie schlenderte gemütlich einmal durch den Raum, setzte sich auf den Boden und begann, in ihrem Rucksack herumzukramen. Nach einer Weile förderte sie einen Tabakbeutel und Zigarettenpapier zutage und drehte sich seelenruhig eine Zigarette.
„Was machst du hier in Goldvelt? Wie bist du hierher gekommen?“, erkundigte ich mich und packte das Solarladegerät wieder ein.
Zuletzt hatte ich sie in Citey in einem Sport-Zusatzkurs gesehen, einen Tag, bevor die Schule wegen Verfalls geschlossen wurde. Damals hatte sie ein tadelloses Elternhaus, wallende goldblonde Haare und eine Vielzahl von Verehrern gehabt, die nur von der Anzahl ihrer täglich wechselnden Handtaschen getoppt werden konnte. Freundinnen waren wir nicht gewesen, Bekannte vielleicht. Man hatte sich im Vorbeigehen gegrüßt, mehr aber auch nicht.
Sie entzündete die Zigarette mit einem Streichholz und sog den Rauch tief ein. Dann lehnte sie sich zurück und sah mich an. „Ich habe den letzten Sommer in einem Hanffeld ein paar Stunden weiter südlich verbracht. Willst du auch mal?“
Sie hielt mir freigiebig das Gebilde hin, das sich innerhalb eines Satzes von einer Selbstgedrehten in einen Joint verwandelt hatte. Ich lehnte dankend ab. Mehr denn je wollte ich alle meine Sinne beisammen haben.
Unsanft tätschelte ich Pollys Gesicht, während Kala fortfuhr: „Jetzt suche ich etwas für den Winter. Der Sommer war super, aber langsam wird es mir draußen zu frisch.“
Ich warf einen Blick auf ihre schmutzigen Flipflopfüße und gab ihr recht.
„Wer is’n sie?“ Sie zeigte auf Polly.
„Meine komatöse Schwester.“ Kala kannte mich nicht gut genug, um über meine Familiengeschichte im Bilde zu sein, die Antwort verwirrte sie also nicht.
Louis hat dich geküsst, feuerte mein Herz
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