Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
suchst.“
„Nicht schlecht.“ Sie nickte anerkennend. „Hast du eine Ahnung, wo ich mich dort melden muss?“
Jetzt kam ich wohl nicht mehr aus. „Ähm, ich wohne da auch. Ich werde versuchen, dir morgen eine Stelle zu verschaffen.“ Mehr wollte ich im Augenblick nicht versprechen. Womöglich war Atalante doch dagegen und dann stand ich blöd da.
„Und was genau arbeitest du da?“
Ich zögerte. Wie sollte ich ihr erklären, dass ich in Themiskyra einen völlig anderen Status hatte? Ich weiß nicht, warum ich mich so zierte, aber ich schätze, Louis' Zwei-Welten-Theorie, die ich nicht akzeptieren wollte, war schuld daran. „Momentan bin ich sozusagen in der Ausbildung. Ich gehe hier zur Schule und helfe außerdem im Krankenhaus aus.“
„Sehr sozial. Aber Schule is' madig“, fand sie.
Der Einfachheit halber stimmte ich ihr zu. Ich war froh, dass sie es so sah, denn ihr klarzumachen, dass sie den Unterricht nicht besuchen durfte, wäre mir schwergefallen. Bevor wir die Stadt erreichten, trichterte ich ihr noch eine offizielle Fassung des Abends ein. Zur Sicherheit erklärte ich ihr auch, wo sie mich finden konnte, wenn sie noch Fragen hätte oder etwas bräuchte. Nicht, dass ich mich ausgekannt hätte, was Arbeiterbelange anging, aber es war mir lieber, wenn ich mich darum kümmerte, als wenn sie selbst planlos durch Themiskyra steuerte.
Am Tor durchsuchte Johanna sie nach Waffen und brachte sie anschließend in die Arbeiterquartiere, eine Aufgabe, die ich liebend gerne übernommen hätte. Vielleicht hätte ich mich dort auch ein bisschen umgesehen … sein Lachen. Sein Kuss. Sein Lachen. Sein Kuss …
Aber ich hatte Polly am Hals und machte mich lieber schnell vom Acker, bevor die Wache drauf kam, dass meine Schwester nicht nur todmüde, sondern stockbetrunken war. Ich musste schier übermenschliche Kräfte und Überzeugungskraft aufbringen, um sie hoch ins Zimmer zu befördern. Das Letzte, das mir durch den Kopf ging, bevor ich selbst in komatösen Schlaf fiel, war, dass ich nach dem Kerzenauspusten vergessen hatte, mir etwas zu wünschen.
Ich wachte mit entsetzlichen Kopfschmerzen und einer alten Socke im Mund auf. Nein, Letztere stellte sich als meine Zunge heraus, aber das Kopfweh steigerte sich ins Unermessliche, als ich mich aufsetzte. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich mich um und versuchte, zumindest geistig Herrin der Lage zu werden.
Ich war vollständig bekleidet mit meinen extra schönen, jetzt zerknitterten Geburtstagsklamotten und meine neue Gürtelschnalle hatte mir interessante florale Muster in den Bauch gedrückt. Auf dem Tisch herrschte kreatives Durcheinander aus umgefallenen Gläsern und halbgegessenen Kuchenstücken, gesprenkelt mit Wachsflecken. Die geleerte Metflasche stand wie ein Mahnmal auf dem mit klebrigen Glasringen neu bemusterten Tischtuch, auf denen Kuchenkrümel wie Miniaturkornkreise klebten. Obwohl ich Polly nachts noch ins Bett gesteckt hatte, lag sie wieder auf dem Teppich. Sie hatte es offensichtlich nicht zurück auf die Matratze geschafft, nachdem sie sich in den Untersetzer unseres Ficus benjamina erbrochen hatte.
Ich stöhnte auf. Autsch.
In wirren Erinnerungsfetzen drang der vergangene Abend in meine Erinnerung. Dieser Met war wirklich ein Teufelszeug.
Nie wieder, schwor ich mir.
Falls du es vergessen haben solltest: Der Abend hatte auch gute Seiten, meldete sich mein Herz zu Wort.
Stopp. sagte mein Verstand.
Louis hat …
Stopp!
… dich geküsst.
Stopp!!!
Obwohl mir die frühen Sonnenstrahlen schmerzend in die Gehirnwindungen stachen, hievte ich mich energisch auf und nahm die Gläser und Teller und nach kurzem Zögern auch den Untersetzer mit ins Bad, um sie zu spülen. Glücklicherweise ertappte mich keine der anderen Amazonen dabei, sonst wäre ich in Erklärungsnot gekommen. Zurück in unserem Zimmer stellte ich die Kerzen ins Regal, ließ die Metflasche im Kleiderschrank verschwinden, schüttelte das Tischtuch über dem Mülleimer aus und schob die Stühle wieder an ihre Plätze. Schon besser. Jetzt musste ich nur noch mich und Polly wieder herstellen. Ich knuffte sie so lange, bis sie gequält die Augen öffnete und sie gleich wieder fest zukniff. Dabei brachte sie heiser hervor: „ Sunrise, wrong side of another day … “
Mit größter Mühe gelang es mir, sie in die Vertikale und unter die Dusche zu bugsieren. Das schien Wunder zu wirken und sie fand ihre Sprache wieder. Unter Kopfschmerzen schien sie im Gegensatz zu mir
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