Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
bezeichnen konnte.
Wir drückten uns zwischen zwei der Hütten durch und standen auf dem kleinen Fleck, den mir Kala stolz als ihren geheimen Garten vorstellte. Erstaunt stellte ich fest, dass sie sich tatsächlich Mühe gegeben hatte, ihn mit Fackeln, einer Laterne und zwei Strohmatten am Boden ein bisschen herzurichten.
Nachdem wir uns gesetzt hatten, holte sie etwas aus ihrem Rucksack, das in mehrere Schichten Papier eingewickelt war.
„Ist das die Überraschung?“, fragte ich gespannt.
„Nein, das ist der Kuchen. Mit das Schlimmste am Verfall ist, dass es keine Tupperware mehr gibt“, befand sie, während sie das Papier entfernte und mir ein Stück Schokoladenkuchen hinhielt.
„Hast du den geklaut?“, argwöhnte ich, als ich es entgegennahm.
„Quatsch. Nach der Arbeit gemacht und die Bestandteile ordnungsgemäß für Marken erworben. Oder gesammelt.“
Spätestens da hätte ich den Braten riechen müssen, aber was Kala dann mit den Worten „ Das hier ist die Überraschung!“ aus ihren Rucksack hervorholte, lenkte mich gedanklich ab.
„Meine Stiefel!“, stellte ich erfreut fest. „Moment – was trägst du dann?“
Stolz streckte sie ihre Beine aus und ich sah, dass sie jetzt auch Lederstiefel trug.
„Ich hatte gestern genug Marken zusammen, um mir selbst welche zu holen. Du kannst deine also endlich wieder haben.“
„Und deswegen gibt’s eine Party?“
„Na klar! Stiefelparty! In letzter Zeit schienst du mir übel fixiert darauf zu sein, sie wiederzubekommen.“
Das leugnete ich höflicherweise, bedankte mich aber für die Rückgabe meiner geliebten Gummistiefel. Und nahm endlich einen großen Bissen von meinem Kuchen.
Die ersten halbwegs klaren Gedanken, die ich wieder fassen konnte, waren ihrer zwei.
Erstens: Wie bin ich auf diesen Baum gekommen?
Und zweitens: Mann, hab ich Hunger.
Ich erinnerte mich noch daran, dass sich mein Gesicht nach dem ersten Stück Kuchen so seltsam pelzig angefühlt hatte, dass ich gar nicht aufhören hatten können, meine Wangen und Lippen zu betasten. Kala hatte das immens komisch gefunden. Und da war mir ganz langsam etwas gedämmert. Aber was genau mir gedämmert war, hatte ich nicht begreifen können. Die Erkenntnis war mir unentwegt wie ein glitschiger Fisch außer Reichweite geflutscht.
„Verträgst du noch eins?“, hatte Kala mich gefragt und mir ein weiteres Stück Schokokuchen hingehalten.
„Aha!“, hatte ich ausgerufen. „Der Kuchen.“ Der stand in ein- bis mehrdeutigem Zusammenhang mit meiner so schwer greifbaren Erkenntnis, dessen war ich mich sicher gewesen. Und dann, endlich, war mir mit einem geistigen Geniestreich der Transfer gelungen. „Du hast was in den Kuchen gemischt.“
„Logo.“ Sie hatte mich breit angegrinst. „Ich weiß doch, dass du nicht rauchst und du sollst doch auch eine chillige Party haben.“ Ich hatte sie wohl ziemlich entgeistert angesehen, denn plötzlich hatte sie eine erschrockene Miene aufgesetzt. „Du hast es nicht gewusst? Ach du dickes Ei. Du bist mir doch nicht böse?“
Oh, ich war ihr unglaublich böse gewesen. Ich hatte diese abartige Stiefelparty sofort verlassen und Kala bei Atalante verpetzen wollen, auf dass sie auf Nimmerwiedersehen aus Themiskyra verbannt würde, aber alles, was ich getan hatte, war loszukichern und mir ein weiteres Stück Kuchen einzuverleiben.
Und jetzt saß ich in bestimmt sechs Metern Höhe auf einem in seiner Stabilität nicht gerade vertrauenserweckenden Ast des Ahornbaums und schob Kohldampf. Als ich mich gerade wieder in den hübschen Mustern der Baumrinde verlieren wollte, störte ein unangenehmes Geräusch von weiter unten meine Kreise.
„Ell! Jetzt komm schon da runter!“
Das war Kala. Sie stand zwischen den Fackeln und hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt, versuchte wohl, autoritär zu wirken. Ich lachte sie schlichtweg aus und sie lachte mit.
„Ne, echt jetzt! Komm schon!“
„Nein.“ Ich schüttelte heftig den Kopf und stellte fest, dass die Welt lustig nachwippte. Fast so lustig, nein, noch lustiger als mit Met. Dann knackste der Ast. Kala schrie auf und ich schüttelte meinen Kopf vorsichtshalber etwas weniger stark.
Und dann war plötzlich Louis da und ich hörte mit dem Kopfschütteln auf, weil ich ihn sonst so schwer im Auge behalten konnte. Und ihn nicht im Auge zu behalten, wäre eine verdammte Verschwendung gewesen.
„Was ist los?“, fragte er Kala und seine Stimme klang, als sei er gerannt. Er folgte ihrem Blick und riss
Weitere Kostenlose Bücher