Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
mögliche Dialoge mit Louis durchspielte.
„Du hast doch gestern bis tief in den Abend hinein gearbeitet“, sagte Paz schließlich, als sie das Elend nicht mehr mitansehen konnte.
„Ja?“, fragte ich, nicht sicher, worauf sie hinaus wollte.
„Dann kannst du dir ja jetzt mit gutem Gewissen freinehmen“, schlug sie vor.
„Ja, aber ich habe doch an meinen eigenen Sachen gearbeitet, das war ja sozusagen mein Freizeitvergnügen“, widersprach ich, obwohl ein freier Restnachmittag sehr verlockend klang.
„Du hast deine Abendstunden geopfert, um deine Fähigkeiten zu verbessern, die, sobald ausgereift, der Gemeinschaft zu Gute kommen werden“, formulierte sie meine Aussage um. „Also lauf.“
„Danke!“ Ich lächelte sie erleichtert an, zog meine Fellweste über und sah zu, dass ich hinauskam.
Mein erster Weg führte mich in den Stall, in der Hoffnung, Louis dort anzutreffen. Möglichst allein. Ich hatte keine Ahnung von seinem Dienstplan, aber ich wusste, dass er im Winter in den Stallungen mithalf, also musste er früher oder später hier auftauchen. Ihn bei den Arbeiterhütten zu suchen, schien mir zu riskant.
Eine ganze Weile lungerte ich bei Hekate herum, bürstete und kämmte sie und sah immer wieder den Gang entlang, aber von Louis war keine Spur zu sehen.
Vielleicht ist er wieder abgetaucht? bangte mein Herz. Das Männer-Ding, weißt du noch? Ell retten, Ell herzen, Ell nie wieder sehen?
Er hat mich nicht gerettet.
Als ich schon aufgeben wollte und mich umdrehte, stand er plötzlich vor mir. Er sah ernst und müde aus, aber das war wohl kein Wunder nach der kurzen Nacht. Gleichzeitig sahen wir uns um, ob jemand in der Nähe war, aber die Luft schien rein zu sein.
„Wir müssen reden“, flüsterte ich.
Er nickte. „Ich weiß. Wann? Und wo?“
„Nach dem Abendessen. Hier.“
„Okay.“ So schnell, wie er aufgetaucht war, war er wieder verschwunden.
Ich verabschiedete mich von Hekate und schlenderte in die Kardia, wo ich mich bis zum Abendessen auf die faule Haut legte. Eigentlich hatte ich vorgehabt, ein bisschen Schlaf nachzuholen, aber in meinem Kopf ging alles so durcheinander, dass ich keine Ruhe fand. Ich erinnerte mich an seine Rettungsaktion im alten Wasserkraftwerk, die Ernte, meine Eifersucht, das Glücksgefühl, das mich durchströmt hatte, als ich in seinen Armen gelegen war, und immer wieder den Kuss, aber ich wusste auch, dass das alles großer Käse war. Und im Grunde war ich damit ja auch schon durch gewesen, hatte das Höhlenweibchen bezwungen und meine Eifersucht. Das sollte jetzt nicht alles umsonst gewesen sein. Und deswegen muss ich das sofort alles in Ordnung bringen und dann frohen Herzens in die amazonische Zukunft blicken, dachte ich mir. Ich bin eine Amazone und kein Höhlenweibchen.
Nach dem Abendessen fand ich Louis bei Boreas im sonst verlassenen Stall vor. Sobald er hörte, dass ich mich näherte, verriegelte er die Box und drehte sich um.
„Hallo“, sagte ich und durchsuchte meine präparierten Dialogzeilen erfolglos nach einem passenden Einstieg. Es war nicht so, dass ich aus Nervosität meinen Text vergessen hätte, doch als ich so vor ihm stand, in seine Augen sah und ganz entfernt den speziellen Louis-Geruch erschnupperte, war ich mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich ihn wirklich sagen wollte.
„Hey“, erwiderte er.
Und jetzt?
„Hast du den Kuchen gut überstanden?“, fragte er schließlich.
„Schon, bis auf ein paar Aussetzer heute in der Schneiderei.“ Ich schnitt eine Grimasse. „Ich hatte wirklich keine Ahnung, was da drin war.“ Vielleicht schmälerte das das Ausmaß der Peinlichkeiten, vielleicht hielt er mich aber auch für total naiv.
„Ja, das war mal wieder eine Glanzleistung von Kala.“ Trotz der deutlichen Missbilligung, die in diesem Satz mitschwang, klang es, als wäre er mit anderen Leistungen Kalas durchaus vertraut.
Erneute Unsicherheit keimte in mir auf. Ich fasste mir ein Herz. „Seid ihr eigentlich, also du und Kala meine ich, seid ihr … zusammen?“
Er sah mich an, als hätte ich ihn gefragt, ob er mich kommenden Dienstag zum Synchronschwimmen begleiten würde. „Wieso denkst du das? Du hast gestern schon so komische Sachen gesagt.“
Ich versuchte, die Erleichterung, die mich durchströmte, vor Louis und meinem Verstand zu verbergen. „Es hatte den Anschein“, sagte ich leichthin. „Und die komischen Sachen, die ich gestern gesagt und getan habe – wobei ich mich an einen Großteil
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