Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
mit.“
Sie öffnete ein großes Tor am anderen Ende des Ganges, das hinaus ins Freie außerhalb der Stadtmauern führte. Wir überquerten einen Kiesweg und standen vor einer riesigen eingezäunten Koppel, deren anderes Ende ich gar nicht sehen konnte. Unzählige Pferde grasten auf der Wiese, darunter auch eine Handvoll langbeiniger Fohlen.
Phoebe stieß einen schrillen Pfiff aus. Ein schwarzes Pferd löste sich aus der Menge und kam auf uns zu getrabt. Ich fragte mich, ob die Wagemutige hundert verschiedene Pfiffe konnte, für jedes Pferd einen eigenen.
„Ihr habt bereits Bekanntschaft gemacht, hat Tetra erzählt. Erkennst du sie wieder?“, fragte Phoebe und klopfte zärtlich den Hals des Pferds. „Das ist Hekate. Die Pfeilsichere schenkt sie dir, weil sie meint, dass ihr euch so gut verstanden habt.“
Das war natürlich blanker Hohn, aber ich war trotzdem sprachlos, dass Tetra mir tatsächlich ihr eigenes Pferd überließ. Phoebe widmete ihre Aufmerksamkeit den anderen Tieren, die ihre Köpfe über den Zaun streckten. Ich überwand meine Furcht und begann vorsichtig, Hekate über die Nase zu streicheln. Zu meiner Überraschung sah sie davon ab, mir die Hand abzubeißen, sondern drückte ihren Kopf noch näher an mich. Ich kraulte sie etwas beherzter.
Zwei Nächte zuvor war sie mir wie ein riesiges Ungetüm vorgekommen, doch jetzt, bei Tag, konnte ich sehen, wie schön sie tatsächlich war. Im Sonnenlicht glänzten ihre dichte, seidige Mähne und ihr rabenschwarzes Fell. Im Vergleich zu den anderen Pferden wirkte sie gar nicht mehr so furchtbar riesig, doch trotz ihres zierlichen, eleganten Körperbaus konnte ich ihre Stärke allein dadurch spüren, wie sie ihren Kopf an meiner Schulter rieb – und mich dabei fast umwarf. Ein leuchtendes Gefühl strömte durch meine Adern und streckte mir den Rücken. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass es Stolz war. Als ob ich plötzlich mehr wert war, weil ich etwas Wertvolles geschenkt bekommen hatte.
„Und welches Pferd nimmt dann Tetra?“, fragte ich, immer noch ein wenig misstrauisch.
„Oh, sie hat viele, keine Sorge. Sie hilft uns, die Aspahet zuzureiten, Hekate war nur ihr aktueller Zögling. Du kannst ihr Geschenk wirklich annehmen.“ Nach einer Weile meinte sie: „So, jetzt zeige ich dir, was es im Stall zu tun gibt. Am Nachmittag kannst du dich wieder deiner Aspahi widmen.“
Hekate sah mich aus samtigen, klugen Augen an, fast so, als wolle sie mir mit ihrem Blick gut zureden, dass wir den drohenden Reitunterricht gemeinsam schon irgendwie meistern würden. Und beinahe konnte ich das nun auch glauben.
Zwei Stunden nach dem Mittagessen war ich fertig mit dem Ausmisten der letzten Box, die mir zugeteilt worden war. Ich fegte gerade den Gang, da hörte ich draußen im Hof Hufschlag und freudige Rufe. Neugierig sah ich durchs Fenster.
Eine Amazone war heimgekehrt und saß gerade von einem Schimmel ab. Sie trug eine dunkelrote, reich bestickte Tunika, die von einem goldverzierten, breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Ihre hüftlangen, braunen Haare trug sie offen, im Gegensatz zu den anderen Amazonen, die Pferdeschwänze oder Zöpfe trugen oder einfach Kurzhaarschnitte hatten. Sie war etwa in Tetras Alter, aber etwas kleiner und schmaler.
Das große Hallo, das ihre Ankunft hervorrief, und die Art, wie sie sich gab, ließ keinen Zweifel, dass es sich um die Anführerin handelte. Etwas in ihr schien zu leuchten und in der Art, wie sie von ihrer Reise berichtete, und in jeder Bewegung war eine Selbstsicherheit zu beobachten, die ich nicht mal bei Dingen an den Tag legte, die ich richtig gut konnte. Das waren alles Eigenschaften, die ich auch an den anderen Amazonen beobachtet hatte, aber bei Atalante waren sie noch ausgeprägter, ja zum Äußersten perfektioniert. Ich sah sie lächeln und Tetra in die Arme schließen, die aus der Kardia auf sie zugelaufen war.
Als die Aufregung sich nach und nach gelegt und die Menge sich wieder zerstreut hatte, begann Tetra eindringlich mit ihr zu sprechen, aber sie waren zu weit entfernt, als dass ich einzelne Worte hätte verstehen können. Atalante runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Mein Herz begann angstvoll zu klopfen. Ich hoffte, dass es nicht um mich ging, und darum, ob ich würde hierbleiben dürfen.
Willst du denn hierbleiben?
Zumindest will ich nicht weggeschickt werden.
Dann schalt ich mich selbst, dass ich mich für so wichtig hielt. Sicherlich gab es nach der gut einwöchigen
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