Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
doch quasi dein Amazonen-Leben bedroht?“
Pollys Augen leuchteten wieder. „Weil's einfach so cool ist! Hör mal!“ Plötzlich wieder voller Energie fuhr sie mit ihrem Zeigefinger über den Player, um ihn zu starten, und drückte mir die Kopfhörer in die Ohren.
„ Black wind always follows where my black horse rides – fire's in my soul, steel is on my side?“, wiederholte ich fragend die Texte, die mein Trommelfell in ohrenbetäubender Lautstärke erschütterten. „Ziemliches Gedresche.“
„Ja, toll, oder? Manowar .“
Das sagte mir nichts. Polly zog mir einen der Kopfhörer wieder aus dem Ohr, um ihn sich selbst einzusetzen.
„Ist total alt, aus dem letzten Jahrtausend, aber Ainia konnte mir nur alle möglichen alten Sachen draufspielen, weil ich ja kein Geld hatte, um neue teure Musik zu bezahlen. Aber das macht nichts. Ist trotzdem völlig cool.“
„Aber woher hast du denn den Strom dafür?“, wunderte ich mich. Steckdosen gab es auf den Zimmern nämlich nicht.
„Solarladegerät“, grinste sie. „Ich stecke es tagsüber in den Topf der großen Palme. Da bekommt es genug Sonne ab, bleibt aber weitgehend unsichtbar.“
„Sehr schlau“, sagte ich anerkennend.
Wir hörten, jeweils mono, noch ein bisschen Oldie-Metal. Wobei ich sie aber nicht auf die bisweilen doch recht frauenverachtenden Texte hinwies, bei denen mir ernsthafte Bedenken kamen, ob sie nicht doch zu einem Rauswurf Pollys führen könnten.
Als es auf einmal an der Tür klopfte, reagierten wir beide blitzschnell und rissen uns die Hörer aus den Ohren, ich hielt die Bettdecke hoch, Polly stopfte die Sachen darunter, ich rief: „Herein!“, und unschuldig lächelnd wandten wir uns Tetra zu, die zur Tür hereinkam.
„Entschuldigt, dass ich noch einmal störe, aber ich wollte sichergehen, dass du wegen morgen Bescheid weißt, Ell.“
Ich sah sie fragend an. „Was ist morgen?“
„Morgen hast du deine erste Reitstunde“, sagte Polly schnell, die anscheinend wegen des GemPlayer-Dramas vergessen hatte, mich darüber zu informieren.
„Nur, wenn du möchtest, natürlich“, setzte Tetra vorsichtig hinzu. „Vormittags könntest du dich im Stall nützlich machen und nachmittags erhältst du Reitunterricht.“
Mein Herz fuhr allein beim Gedanken daran das Adrenalin hoch. „Okay“, hörte ich mich sagen. Willenskraft?!
Überraschend kam mir mein Verstand zu Hilfe. Egal, was passiert, nimm mit, was du kriegen kannst. Reiten kann dir nur nützlich sein, ob du nun bleibst oder nicht.
„Gut“, sagte Tetra. „Dann eine gute Nacht euch beiden. Und nicht mehr so lang!“
Wir nickten folgsam und sobald die Amazone den Raum verlassen hatte, kramte Polly wieder nach dem Player.
„Willst du nochmal?“, fragte sie, aber ich verneinte.
„Ich will noch duschen und dann musst du mir erzählen, was morgen genau auf mich zukommt.“
„Geh einfach zum Stall, Phoebe wird dir alles erklären“, sagte Polly und schnaufte angestrengt, als sie den Wurzelballen einer großen Palme halb aus dem Topf hob und dort den in einer Metalldose sicher verwahrten Player verstaute, bevor sie die Palme wieder vorsichtig darauf pflanzte.
„Bitte denk dran, das Grünzeug nicht zu stark zu gießen“, schärfte sie mir ein. „Die braucht kaum Wasser.“
„Ich verstehe!“, versicherte ich und musste lachen. Polly war mir bereits sehr ans Herz gewachsen. Ich würde ihr Geheimnis bewahren, soviel stand fest, denn ich wusste nicht, was ich hier ohne sie täte.
Kapitel 6
Tags drauf bereute ich meinen vorschnellen Entschluss wieder, mich auf diese Pferdesache eingelassen zu haben. Ich ertappte mich dabei, dass meine Schritte immer langsamer wurden, je näher ich dem Stallgebäude kam. Zögernd näherte ich mich einer Box und blickte vorsichtig über die Planken …
Sie war leer. Ich ging weiter und stellte nach einer Weile fest, dass ich hier wohl fehl am Platz war, denn der Stall war komplett pferdelos.
„Hallo Ell.“
Ich fuhr herum. Eine hochgewachsene, sehr dünne Amazone mit schulterlangen, hellbraunen Haaren und dunkelblauen Augen war hinter mir erschienen. Irgendwie fand ich es beängstigend, dass hier jede schon meinen Namen kannte.
„Ich bin Phoebe“, stellte sie sich vor und gab mir die Hand. „Die Wagemutige.“
Ihr Epor rief in mir alles andere als Mut hervor und ich hoffte, dass sie von mir keine Waghalsigkeiten erwartete.
„Ich nehme an, du suchst die Pferde?“, fragte sie. „Die sind auf der Weide. Komm doch mal
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