Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
Atalante muss dich zwar noch offiziell aufnehmen, aber das ist nur noch eine Formalität, nachdem es Tetra war, die dich zu uns gebracht hat. Die beiden sind beste Freundinnen, immer schon“, erklärte sie auf meinen fragenden Blick hin. „Und immer einer Meinung. Das heißt, wenn die Pfeilsichere dich hier haben will, dann wird Atalante dich nicht abweisen.“
Ein Prickeln glitt von meinem Nacken aus den Hinterkopf entlang und ich wusste, dass ich beobachtet wurde. Langsam drehte ich mich um und sah den Typen vor dem Stalltor stehen, der mich am Morgen so fies angestarrt hatte.
Der schöne Dschinn. Nein. 'Shim war das Wort, das Polly benutzt hat.
Aber entgegen meinem Gefühl beobachtete er mich diesmal gar nicht, sondern nestelte energisch am Zaumzeug seines Pferdes herum. Ich dachte, er würde es in den Stall bringen, doch nach ein paar Sekunden schwang er sich in den Sattel und preschte davon. Nicht, ohne mir zuvor zwischen dunklen Haarsträhnen hindurch einen vernichtenden Blick zuzuwerfen, der mich innerlich wieder total zusammenschrumpfen ließ.
Siehst du, sogar der merkt, dass du nicht hierher gehörst, höhnte mein Verstand.
Victoria hatte meinen Blick bemerkt – und missdeutet.
„Der ist ein Schnuckel“, befand sie unumwunden, „Aber auch nur optisch, ansonsten ist er eiskalt.“ Sie musste lachen. „Oh Göttin, wenn Atalante mich hören würde, wäre ich hier schneller rausgeflogen, als du Schnuckel sagen kannst.“
„Wieso?“, fragte ich und kam mir einmal mehr sehr begriffsstutzig vor, weil ich mir jede Kleinigkeit erklären lassen musste.
„Ah, die Kehrseite der Medaille“, seufzte Victoria wehmütig. „Sie haben dich noch nicht völlig aufgeklärt … Aber du bist ja auch erst einen Tag hier.“
„Noch nicht einmal einen Tag und den habe ich halb verschlafen“, stellte ich richtig.
„Hm, dann hole ich das mal nach. Du weißt, dass Artemis unsere Göttin ist?“
Ich nickte. Die Göttin mit der Vorliebe für Hirschkühe.
„Artemis ist die Göttin des Lebens und des Todes, die Muttergöttin und zugleich die jungfräuliche Jägerin, Betonung auf jungfräulich . Ihre Anhängerinnen haben ebenfalls um jeden Preis ihre Jungfräulichkeit zu bewahren, es sei denn, es dient dem Fortbestand unserer Gemeinschaft. Das ist eins der obersten Gebote, die hier gelten, und die Strafen bei Missachtung sind drakonisch.“
Aha, sagte mein Verstand. Das also ist der Haken.
„Sobald du hier mit Leib und Seele dabei bist, solltest du dir also keinen Fauxpas erlauben, wenn du Wert darauf legst, Mitglied der Gesellschaft zu bleiben. Und auch lose Sprüche solltest du dir diesbezüglich verkneifen, da verstehen Amazonen keinen Spaß, und die Unbeugsame schon gar nicht.“
„Okay“, sagte ich nur und Victoria blickte mich erstaunt an.
„Das ist alles?“, fragte sie. „Kein Entsetzen? Keine Pläne, Themiskyra sofort wieder zu verlassen? Keine Verzweiflung, niemals die Liebe deines Lebens finden zu können?“
Ich schnaubte und verneinte. „Wer glaubt denn heutzutage noch an sowas? Meinst du, da draußen sitzt irgendwo ein Typ auf einem rauchenden Schuttberg und wartet darauf, dass ausgerechnet ich vorbeikomme? Außerdem möchte ich ohnehin nichts mehr mit Männern zu tun haben.“ Und das stimmte. Schon die Erinnerung, die Vorstellung von Lennos Händen, von irgendwelchen Händen auf meinem Körper machte mir das Luftholen schwer.
„Wieso das? Stehst du auf Frauen?“, fragte sie mich frei heraus.
„Nein, das ist es nicht. Aber alle Männer, denen ich in letzter Zeit begegnet bin, wollten mich entweder umbringen oder vergewaltigen“ – oder sind einfach nur himmelschreiend arrogant – „deswegen bin ich froh, wenn ich nichts mit ihnen zu tun haben muss.“
„Oh meine Göttin!“ Victoria ergriff meinen Arm. „Was ist passiert?“ Prüfend sah sie mich aus ihren grünen Augen an, aber ich schüttelte den Kopf.
„Nichts. Einmal konnte ich abhauen, das andere Mal hat Tetra mich gerettet.“
„Aber bist du okay?“ Sie schien ehrlich besorgt, deswegen fühlte ich einen Moment lang in mich hinein und nickte dann.
„Ja. Ich habe ziemlich schlecht geträumt letzte Nacht, aber Albträume vergehen. Das mit der Keuschheit wäre jedenfalls das geringste Problem.“
„Wow“, sagte Victoria. „Dann bist du wohl wirklich eine echte Amazone. Zum Glück bist du hier gelandet, sonst hättest du es vielleicht nie erfahren.“ Sie lachte auf. „Ich beneide dich irgendwie. Zuhause in Citey
Weitere Kostenlose Bücher