Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
Abwesenheit Atalantes sehr viel Wichtigeres zu besprechen. Als Phoebe Atalantes Pferd in den Stall führte, verließ ich rasch meinen Spähposten und lief zu ihr.
„Für Gäste, höherstehende Amazonen oder wenn es einfach mal schnell gehen muss, übernehmen wir die Pflege. Sonst kümmert sich jede um ihr eigenes Aspa“, erklärte sie. „Das ist Balios, Atalantes Hengst.“ Sie zeigte mir, was ich zu tun hatte, dann forderte sie mich auf: „So, und jetzt hol mal Hekate von der Weide.“ Ich starrte sie fragend und überfordert an. „Na los!“
Sie schob mich in Richtung des hinteren Tors. Hilflos verließ ich den Stall, stellte mich an den Zaun und überlegte, wie ich mit der grundsätzlichen Problematik zurechtkommen sollte, dass ich überhaupt nicht so laut pfeifen, geschweige denn den korrekten Hekate-Pfiff ausstoßen konnte. Und ehrlich gesagt wusste ich nicht mal mehr, welches der vielen schwarzen Pferde überhaupt meine Stute war. Ich seufzte und versuchte es mit einem verstohlenen „Psssst!“, und dann einem etwas lauteren Zungenschnalzen, wobei ich mir mal wieder sehr dämlich vorkam. Aber wie durch ein Wunder löste sich ein Pferd aus der Menge und kam auf mich zugetrabt. Vom Äußeren her konnte es sich dabei gut um Hekate handeln, aber ich war mir nicht sicher, ob sie es tatsächlich war, bis ich Phoebe hinter mir aus dem Stall treten und sie anerkennend sagen hörte: „Gut gemacht.“
Ich glaubte an einen Trick oder einen Zufall, wollte jedoch das Missverständnis nicht aufklären.
„Gut gemacht!“, gab ich das Lob flüsternd an Hekate weiter.
Phoebe zeigte mir, wie ich der Stute das lederne Zaumzeug umlegte, und half mir, sie in den Stall zu bringen und zu satteln.
„Viele der Frauen und Mädchen hier reiten nur mit Halsring und ohne Sattel“, erklärte sie, als ich Hekate auf eine kleinere Koppel führte, die neben der großen Weidefläche lag. „Das kannst du mit deiner Aspahi in ein paar Wochen sicher auch versuchen. Aber für den Anfang ist es besser, wenn du einen Sattel hast, an dem du dich festklammern kannst.“
Das war mir auch lieber. Außerdem hätte ich nicht gewusst, wie ich ohne Steigbügel auf Hekates Rücken kommen sollte; das war auch so schon schwierig genug.
Dann erhielt ich meine erste Reitstunde. Ich war darauf gefasst, vom Pferd zu fallen, von Hufen zermalmt und mit zerbrochenen Knochen in die Klinik gebracht zu werden, sah die Bilder der kleinen, aber stilvollen Trauerfeier nur allzu deutlich vor mir, Polly, wie sie bitterlich schluchzte, Tetra mit steinerner Miene, Victoria, die mit rotgeränderten Augen in ein großes Stofftaschentuch schnäuzte …
Aber irgendwie schaffte ich es nicht nur zu überleben, ich stellte auch überrascht fest, dass es sehr viel einfacher war, als ich angenommen hatte. Es fiel mir leicht, im Sattel zu bleiben, ich fühlte mich sicher und hatte nie das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Hochkonzentriert bemühte ich mich, Phoebes Anweisungen nachzukommen und die Stute lediglich durch Gewichtsverlagerung dazu zu bekommen, sich in die eine oder die andere Richtung zu bewegen oder – was mir besonders wichtig war! – stehenzubleiben. Vielleicht hatte Tetra recht gehabt mit ihrer Behauptung, dass wir uns gut verstanden. Hekate war lammfromm, ließ sich leicht führen und auch von meiner anfänglichen Nervosität nicht aus der Ruhe bringen.
Okay, auf meinem Weg zurück in die Kardia merkte ich, dass ich kaum noch laufen konnte, aber das tat meiner Begeisterung keinen Abbruch.
Ich hatte mich gerade unter die Dusche gestellt, da hörte ich Tetra aus dem Vorraum rufen.
„Ell?“
„Ja?“
„Atalante ist angekommen und würde dich gerne sehen. Ich werde in eurem Zimmer auf dich warten und dich dann zu ihr bringen.“
I ch spürte wieder ein angstvolles Ziehen in der Brust und mein Herz schlug schneller. Tetra klang so ernst, das übliche Lächeln war aus ihrer Stimme verschwunden …
Sie schicken mich weg, dachte ich, und obwohl ich am Vortag von nichts anderem ausgegangen war, erfüllte mich der Gedanke nun mit Angst. Was mache ich jetzt? Wo soll ich hin? Mein Gehirn begann überstürzt, nach alternativen Lösungen zu suchen, aber ich versuchte, mich zusammenzureißen, und räusperte mich.
„Ja, okay. Ich beeile mich.“
„Gut, dann bis gleich.“
Bangen Herzens kehrte ich zurück ins Zimmer. Tetra saß auf meinem Bett, stand aber gleich auf, sobald ich durch die Tür trat.
„Tetra, ich muss mich noch bei dir bedanken.
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