Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
ist.“ Ich schüttelte den Kopf frei von diesen unerfreulichen Gedanken. Wir hatten die Brücke fast erreicht. „Was machen wir nun mit Ces? Vielleicht hat er gar nicht mitbekommen, dass ich weg war …“
„So, wie du im Augenblick aussiehst, wirst du kaum verhindern können, dass er Fragen stellt.“
Ein Königreich für einen Taschenspiegel. Doch schon der Blick auf meine Kleidung bestätigte, dass Will recht hatte. Meine Lederhose hatte Kampf und Feuersbrunst unbeschadet überstanden, aber mein Mantel war an einer Naht am Ärmel aufgerissen und auch mein T-Shirt hatte einen Riss abbekommen. Außerdem war es dreckig und voller Blutspritzer. Ich konnte davon ausgehen, dass mein Gesicht ähnlich aussah. Und meine Hände … Ich lief zum Fluss und wusch sie im kalten Wasser. Die größten Spreißel zog ich heraus, die kleineren würde ich mir erst bei besserem Licht und mit einer Pinzette entfernen können. Anschließend nahm ich mir mein Gesicht und meinen Hals vor, schrubbte mir den Ruß von der Haut und kämmte meine Haare mit den Fingern durch.
„Besser so?“
Will sah mich kritisch an und rubbelte mir noch etwas Dreck von der Stirn. „Etwas besser, ja.“
„Aber noch nicht überzeugend, nehme ich an.“ Mein Blick fiel auf das T-Shirt, das er unter seiner Jacke trug. „Zieh das aus“, wies ich ihn an, schlüpfte aus meinem Mantel und öffnete meinen Gürtel.
„So willst du dir dein Stillschweigen bei mir erkaufen?“, erkundigte er sich belustigt und zögerte keine Sekunde, meiner Aufforderung nachzukommen.
Kommentarlos riss ich ihm das Oberteil aus der Hand und drehte mich von ihm weg, zog mein Shirt aus und seines an. Dann benutzte ich den Gürtel, um das zeltartige Kleidungsstück in ein annähernd tailliertes Minikleid zu verwandeln und legte mir den Mantel so über den Arm, dass man den Riss nicht sehen konnte. „Und?“
„Sehr hübsch.“ Will nickte anerkennend. „Wenn du dir öfter mal was von mir leihen möchtest – mein nicht vorhandener Kleiderschrank steht dir jederzeit offen.“
„Danke. Mach deine Jacke zu, damit niemand sieht, dass du nichts drunter trägst.“
„Und ich dachte, du möchtest dich am Anblick meines Sixpacks erfreuen.“
Ich schnaubte. Nicht, dass es kein erfreulicher Anblick gewesen wäre, ich hatte im Augenblick nur ganz andere Sorgen. „Meinst du, die anderen vermissen uns schon? Wie lange waren wir weg?“
Will antwortete nicht. Er war stehen geblieben und lauschte in die Finsternis. Auch ich vernahm nun Rufe und den Hufschlag von Pferden auf dem Pflaster der Brücke. Rasch zog er mich zum schmalen Trampelpfad hinüber, der zwischen den Brückenpfosten und der Awin hindurchführte.
„Weiter. Nach oben“, flüsterte er.
Lautlos kletterten wir an den eisernen Streben des Pfeilers hoch, was nicht leicht war, weil mich der Mantel behinderte und es, abgesehen von den gedämpften Lichtreflexen, die der Fluss hochspiegelte, stockfinster war. Schließlich erreichten wir einen kleinen Absatz, der sich direkt unter der ehemaligen Fahrbahn befand, und drückten uns flach mit den Rücken an die Stahlwand, um uns von unten möglichst unsichtbar zu machen.
„Marodeure?“, fragte ich leise.
„Erben.“
„Kannst du die Büchse nicht hier oben verstecken und wir verziehen uns einfach und holen sie später wieder ab?“
„Vergiss es. Wir wären ohnehin verdächtig. Und Pandora bringt mich um, wenn ich ihr das Ding nicht unverzüglich zurückgebe.“
„Womit?“, fragte ich, aber wir fanden es beide nicht besonders lustig. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde ich nervöser. „Würden sie uns wirklich hängen?“
Seine Stimme klang grimmig. „Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Aber keine Sorge, vielleicht guillotinieren sie uns auch nur oder jagen uns eine Kugel in den Kopf. Das geht vielleicht schneller.“
Plötzlich bemerkte ich, dass es heller wurde. Ich beugte mich ein bisschen vor und sah, wie der ovale Spot einer Taschenlampe den Pfad unter uns erhellte. Ein zweiter, etwas diffuserer kam hinzu, schuf den langen Schatten eines Mannes auf dem steinigen Boden. Schritte knirschten über den Kies, wurden dabei lauter. Der Schatten schob sich weiter unter die Brücke vor.
Ich war fertig mit den Nerven. Mein Körper stand unter Strom, mein Puls raste und in meinem Kopf schienen sich hundert Stimmen zu streiten. Am liebsten hätte ich laut geschrien, nur damit diese unsägliche Anspannung von mir abfiel.
Hab dich doch nicht so, hörte ich
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