Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
Mond tauchte das umwachsene, langgezogene Gebäude in fahle Helligkeit. Hinter trüben Plexiglasscheiben, die den Verfall weitgehend unbeschadet überstanden hatten, sah ich gedämpftes Licht flackern und wummernde Bässe drangen an mein Ohr. Offensichtlich hatten auch Shirokkos Leute einen Weg gefunden, sich mit Strom zu versorgen.
Es hatte mich den Großteil des Tages und einiges an Überredungskunst gekostet, die Arkadier für meinen Plan einzunehmen. Es würde nicht einfach werden, aber die Alternativen waren für keinen von uns akzeptabel. Letztendlich hatten alle zugestimmt und während Nia und Ces die Villa bei der Sotær-Kirche bespitzelten, um herauszufinden, mit wie vielen Gegnern wir es zu tun hatten, waren Will und ich in die entgegengesetzte Richtung aufgebrochen.
Wir stiegen von den Pferden und Will klopfte an ein breites, eisernes Schiebetor. Nach ein paar Sekunden wurde es ein Stück zurückgeschoben und ein Schwall aggressiver Musik blies uns entgegen. Ein furchterregender Typ schrankartigen Formats mit langen rötlichen Haaren und tätowierten Flammen, die halsaufwärts aus seinem Kragen spitzten, spähte grimmig zu uns in die Dunkelheit.
„Ja?“, knurrte er.
„Will von den Arkadiern. Ist Shirokko da?“
Die Augenbrauen des Typen hoben sich und ein überraschend freundliches Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus. „Hey Will, klar, komm rein“, sagte er heiter und öffnete das Tor, um uns einzulassen.
Doch ich packte Will am Ärmel, bevor er über die Schwelle treten konnte. „Warte mal, was sind das für Typen?“, zischte ich. Ich hatte den Namen Shirokko schon ein paar Mal gehört, wenn es um Lieferungen gegangen war, aber der Anblick des Türstehers hatte mich in Zweifel gestürzt. Auch wenn die Aktion dazu diente, weit üblere Gegner als Vatwaka zu besiegen, würde ich keinesfalls mit Marodeuren paktieren.
„Die sind in Ordnung, mach dir keine Sorgen“, gab er leise zurück. „Jetzt komm schon.“
Misstrauisch folgte ich ihm in die trostlos wirkende Halle. Einige hohe, größtenteils leere Schwerlastregale standen herum, ein paar zerschlissene Sofas und Matratzen, in einer Ecke eine heruntergekommene Küchenzeile, die jeder Beschreibung spottete, in einer anderen eine Stereoanlage, deren vier riesige Boxen scheinbar wahllos im Raum verteilt waren.
Und um ein Feuer hatten sich auf Kisten, Stühlen und leeren Ölfässern sechs Männer versammelt, bei deren Anblick ich früher instinktiv die Straße gewechselt hätte, nun jedoch meine Hand lediglich fest um den Knauf meines Schwertes schloss. Ich sah mehr Haupthaar, Nieten und tätowierte Haut als in meinem gesamten bisherigen Leben. Sie wirkten wie eine dieser präapokalyptischen Motorradgangs, nur dass sie derzeit mit ihren Maschinen nicht besonders weit gekommen wären.
„Hallo Will“, rief einer von ihnen, ein Typ mit wallenden, dunklen Haaren, der tatsächlich so etwas wie ein Kettenhemd trug und mir ein strahlendes Lächeln schenkte. „Wen hast du mitgebracht?“
„Hi Lancelot. Das ist Ell, eine Freundin. Sie gehört zu den Arkadiern.“
Nun wandten sich auch die anderen zu uns um und musterten mich … nicht so, als würden sie gleich über mich herfallen und auch nicht so, als wollten sie den Preis abschätzen, den ich auf irgendeinem Markt in Timbuktu erzielen würde. Nur neugierig. Und, nachdem sie zwischen Will und mir hin und hergesehen hatten, vielleicht ein bisschen amüsiert. Ich versuchte, mich zu entspannen.
„Ell, das sind Lancelot, Marlon, Washington, Slash, Homer und Carlos“, zählte Will auf und ich wurde von jedem einzelnen mit einem festen Handschlag begrüßt. Ich war so darauf konzentriert, nach Bandenabzeichen Ausschau zu halten, dass ich kaum mitbekam, welcher Name zu welchem Mann gehörte. Zwar sah ich reihenweise Tattoos, aber sie unterschieden sich und es war nichts dabei, was einem Marodeurssymbol geähnelt hätte. „Und Phoenix hast du schon am Tor kennengelernt.“
„Setzt euch. Wollt ihr etwas trinken?“, bot uns der Kettenhemd-Typ an.
Bevor Will auf die Idee kommen konnte, auf den Vorschlag einzugehen, intervenierte ich schnell: „Nein danke. Wir haben etwas mit Shirokko zu besprechen.“
„Er ist oben. Ich bringe euch hin“, erklärte Phoenix, der rothaarige Schrank, und ging voran zu einer Metalltreppe.
Sie führte in eine Zwischenetage, die die Halle in Teilbereichen überdeckte. Ein paar Stahltüren gingen in verschiedene Räume ab und vor einer davon blieben wir
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