Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
stehen. Phoenix klopfte.
„Shirokko? Besuch.“ Damit drehte er sich um und ließ uns stehen.
Keine Sekunde später öffnete uns ein in Leder gekleideter Mann mit schulterlangen blonden Haaren die Tür, der so groß war, dass ich allen Ernstes den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er musterte uns, ohne die Miene zu verziehen.
Will ergriff als Erster das Wort. „Sorry, wenn wir stören, aber wir brauchen deine Hilfe.“
Nachdem wir in seinen spartanisch eingerichteten Raum gebeten worden waren, unser Problem geschildert und mehrfach betont hatten, dass wir uns keinesfalls von unserem Plan würden abbringen lassen, führte uns Shirokko in den Keller. Er hatte Carlos dazu gerufen, einen der wenigen, der die Haare kurz, dafür jedoch lange Koteletten und einen schwarzen breitkrempigen Hut trug.
Unten angekommen traten wir in einen dunklen Raum. Das erste, was mich irritierte, war, dass ich über ein Kabel stolperte. Nicht, dass mir das noch nie passiert wäre, aber das letzte Mal war so lange her, dass ich einfach nicht mehr damit rechnete. Das zweite war das Summen, das ich vernahm, und das dritte das Blinken vieler LEDs in einer Ecke des Raums. Ich hörte ein klackendes Geräusch und einige Leuchtstoffröhren erwachten flackernd zum Leben. Sie warfen ihr kaltes Licht auf drei riesige Monitore und eine Batterie aus bestimmt 20 Servertürmen.
Carlos setzte sich auf einen Drehhocker, schaltete die Bildschirme ein und ließ die vielberingten Finger knacksen. „Also, was willst du wissen?“
„Ich brauche Informationen über alle unterirdischen Gänge der Stadt, Kanalisation, U-Bahntunnel, Katakomben und so weiter.“ Voll Überraschung sah ich, dass er eine Art Browser startete. „Internet?“, fragte ich ungläubig.
„Nein, das Netz ist schon lange tot. Aber die Informationen sind noch da“, sagte er beiläufig und begann zu tippen.
„Carlos hat alle möglichen Daten rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Lexika, Enzyklopädien, Datenbanken, Kartenmaterial, die wichtigsten Kultur güter in digitaler Form, Nacktfotos von Cincin Cápová und so weiter“, erklärte Shirokko und schob mir einen Stuhl vor die Monitore, auf dem ich, immer noch überfordert, Platz nahm. „Informationen sind ein ziemlich wertvolles Gut geworden.“
„Ja, ich schätze, wir schulden euch was“, meinte Will und zog die Stirn in Falten. „Ich bin mir nur momentan nicht sicher, ob wir noch irgendetwas von Wert besitzen. Hängt davon ab, ob der Plan aufgeht.“
„Irgendwann brauchen wir eure Hilfe ohnehin wieder. Lass uns erst mal sehen, ob wir die Daten überhaupt haben, die ihr benötigt.“
„Na sicher haben wir die“, sagte Carlos. Fasziniert sah ich zu, wie er U-Bahnbaupläne, schematische Darstellungen des Kanalnetzes, Luftbildaufnahmen, alte Pläne aus dem Stadtarchiv und eine Straßenkarte in einem Bildbearbeitungsprogramm zusammenstückelte und in verschiedenen, halbtransparenten Ebenen übereinanderlegte. Eine Abbildung des Underground entstand vor meinen Augen. Mein Herz schlug schneller. Ich sah den Weg, den ich früher genommen hatte, um von meinem Elternhaus zum Schwarzmarkt in der Bücherei zu gelangen, den Gang, der mich vor ein paar Monaten unter dem Finanzviertel hindurchgeführt hatte – und den Tunnel, in dem ich Jahre zuvor vor den Kaiman geflohen war und der mich zur alten Mühle am Basowald gebracht hatte. Natürlich war er nicht komplett zu sehen, aber ich erkannte ihn wieder, wie er ziemlich gerade in Richtung Norden aus der Stadt herausführte.
„Kannst du mal nachsehen, ob du Informationen zu einem bestimmten Haus finden kannst?“, bat ich Carlos und zeigte ihm die betreffende Stelle auf der Karte. „Eine alte Villa neben der Sotær-Kirche.“
Carlos zoomte sich in die Karte hinein und entzifferte die Adresse, dann konsultierte er eine der Datenbanken. „Das Haus war früher ein kleines Kloster, das an die Kirche angeschlossen war. Wurde im neunzehnten Jahrhundert aufgegeben. Was willst du haben? Geschichtliche Daten? Kulturelle Bedeutung? Architektur?“
„Grundrisse wären phantastisch.“
„Die sind aber ein paar hundert Jahre alt.“
„Macht nichts. Habt ihr auch noch einen Drucker am Laufen?“, erkundigte ich mich.
„Klar“, erwiderte Carlos und gab dem Computer mit einem Tastenkürzel den entsprechenden Befehl. „Ist aber kein Originaltoner mehr drin. Versucht, nicht in den Regen zu kommen, die Farbe ist nicht wasserfest.“
„Dafür
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