Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
wenn die musikalische Untermalung aus einem Xylophon oder einer Piccoloflöte bestanden hätte. Der sanfte Rausch von Freiheit und Bier waren die Begleitung, die mir genügte, um den Rhythmus zu finden.
Plötzlich fühlte ich mich beobachtet und drehte mich um meine eigene Achse, doch niemand nahm Notiz von mir – nur ein graues Augenpaar musterte mich intensiv. Und irgendwie anders als sonst. Ernster. Von weiter weg als nur die paar Meter, die uns trennten. Als Will merkte, dass ich ihn ansah, veränderte sich sein Blick. Er setzte sein übliches Grinsen auf, prostete mir mit meinem eigenen Krug zu und nahm einen Schluck, bevor er sich zu Munin umwandte und etwas zu ihm sagte.
Ich schob mich durch das Gewühl zurück in unsere Ecke. „Was ist los?“
„Mein Bier ist aus.“
Ich schnappte mir den Krug aus seiner Hand und nahm einen Schluck. „Dann hol dir ein Neues, anstatt mir meines wegzutrinken. Aber das meinte ich nicht. Du hast so komisch geschaut … Stimmt was nicht mit meinen Haaren?“ Dabei wusste ich genau, was mit meinen Haaren nicht stimmte: mein gutes Themiskyra-Shampoo war mir vor ein paar Tagen ausgegangen und Ersatz war bis auf weiteres nicht in Sicht.
„Deine Haare sind wunderschön.“
Ich streckte ihm die Zunge raus.
„Wollen wir kurz rausgehen, wo es nicht so laut ist?“, fragte er.
Eigentlich wollte ich lieber wieder zu Chiara auf die Tanzfläche und war gerade dabei, diesen Umstand in Worte zu packen, als ein kurzer Moment der Ruhe entstand. Ein Lied verklang, aber die Gäste hatten noch nicht begonnen zu applaudieren, und in diese Sekunde der Stille hinein erklang ein Lachen, das mir so bekannt, so vertraut, so lieb war, dass mein Herz einen Salto schlug.
„Louis“, sagte ich zu Will, aber ich glaube nicht, dass er mich verstand. Ich knallte meinen Krug so schwungvoll auf den Tisch, dass das Bier spritzte. Eilig wühlte ich mich durch die Menge, reckte den Kopf, um Ausschau zu halten, sah jedem ins Gesicht, quetschte mich an Tischen und Tanzenden vorbei, schaute in jede Nische, hetzte zurück zum Eingang, warf sogar einen Blick in den kleinen Vorraum, hinter die Bar, in die Toiletten …
Du bist betrunken, sagte mein Verstand.
Ich habe es aber gehört, beharrte ich und drehte die zweite Runde durch die Kneipe. Das habe ich mir doch nicht eingebildet …
Da sah ich den rasierten Schädel mit den eintätowierten, verschlungenen Mustern. Er saß auf dem ungewaschenen Körper eines Mannes in groblederner Kleidung, der sich, von mir abgewandt, mit den Ellenbogen auf einen Stehtisch stützte.
Die Normalität zerbarst.
Kapitel 13
Ohne, dass ich nachdachte, fuhr meine Hand an meine Hüfte – und griff ins Leere. Auf Wills Anraten hin hatte ich mein Schwert zu Hause gelassen, da ich es ohnehin bei Tony hätte abgeben müssen. Aber meinen Dolch hatte ich noch. Blitzschnell zog ich ihn und stürzte mich auf den Andrakor. Die Klinge hatte den höchsten Punkt erreicht, bereit, auf den Mann herunterzufahren, als ich von hinten zurückgerissen wurde. Ein Arm umfasste meine Taille mit eisernem Griff und zog mich rückwärts, während eine große Hand die meine so fest drückte, dass ich die Waffe loslassen musste. Sie fiel zu Boden. Ich wehrte mich mit aller Kraft.
„Ell, bist du wahnsinnig!“, ertönte Wills aufgebrachte Stimme an meinem Ohr. „Keine Gewalt an diesem Ort!“
„Er ist ein Mörder!“, tobte ich.
Inzwischen hatte meine Reaktion rundum für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Arkadier waren dazu gekommen; am Rande meiner Rage sah ich, wie Verne sich bückte und den Dolch unauffällig einsteckte. Andere Gäste drehten mir neugierig die Köpfe zu. Aber auch der Tattooschädel wandte sich langsam um, neigte abschätzend den Kopf und beäugte mich glasigen Blicks von Kopf bis Fuß.
„Kennen wir uns?“, fragte er.
Ihm in die Augen sehen zu können steigerte meine Rachegefühle um ein Vielfaches. Alles war wieder da, meine bodenlose Trauer um den Verlust meines Vaters, die Angst, in die der Tattooschädel und die anderen Kaiman mich versetzt hatten, um das Versteck der Medikamente aus mir herauszupressen, die Wut, die in mir brodelte. Ich boxte und trat um mich. Es war so ungerecht. Früher war ich so schwach gewesen, dass ich nur mit Mühe und Not vor ihm und seinen Kumpanen hatte fliehen können, und jetzt, da ich stark genug war, ihn endlich zu besiegen, hinderten mich diejenigen daran, die behaupteten, meine Freunde zu sein.
„Lass die Kleine doch los, wenn sie so
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