Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
unvorsichtig werden. Solange sie nicht wusste, wer und was genau Pirx für Bangarras Leute war, konnte alles, was sie sagte oder tat, sie beide in Gefahr bringen. Also drehte sie scheinbar desinteressiert den Kopf und sah zurück zu der Ziege, die nicht weit von Areop-Enap angepflockt wurde.
Bangarra schob sich zwischen seinen Leuten hindurch und blieb breitbeinig neben dem Tier stehen. Die Ziege schien zu wittern, dass ihr kein angenehmes Schicksal zugedacht war, und sie machte mit gesenktem Kopf einen Sprung auf den König zu. Unbeeindruckt packte er sie an den Hörnern und drückte sie auf die Hinterläufe zurück, um ihr dann mit einer ruckartigen Drehung das Genick zu brechen. Seine Männer jubelten, und Bangarra reckte die Fäuste in die Höhe.
Aus den Augenwinkeln sah Rian wieder zu Pirx hinüber, der mit etwas taumelndem Schritt auf die Gruppe um die Ziege zuging.
»Da, Zwerg«, sagte Bangarra und trat der toten Ziege in die Seite. »Bring dem Urahn sein Essen.«
Pirx legte den Kopf in den Nacken, um zu Bangarra aufzusehen, und stemmte die Fäuste in die Seiten. Rian konnte sich vorstellen, wie die Knopfaugen wütend funkelten, doch Bangarra lachte lediglich. Einer seiner Leute schlang das Seil, mit dem die Ziege angebunden gewesen war, um die Füße des Tieres und drückte dem Pixie das Ende in die Hand.
»Los, zieh, wenn du nicht selbst Spinnenfutter werden willst!«
Pirx wandte sich ab, und brüllendes Gelächter brandete auf, als er sich vergeblich abmühte, den schweren Kadaver in Richtung der Spinne zu schleifen. Schließlich erbarmte sich einer der Männer und schob von der anderen Seite ein wenig; gerade so weit, dass Pirx in die Reichweite der Riesenspinne kam.
Urplötzlich schoss diese vor! Ihre langen Vorderbeine streckten sich nach dem Pixie aus, um ihn zu packen. Rian glaubte, ihr Herz müsse stehen bleiben, bis sie erkannte, dass es nicht der stachelige Pirx war, dem der Griff galt. Die Spinne hatte das Seil zwischen ihre Vorderbeine genommen, und gemeinsam zogen die beiden das tote Tier langsam über den Sand.
Als die Ziege an den vorderen Pflöcken vorbei war, schob Areop-Enap Pirx mit einer Bewegung, die fast zärtlich wirkte, beiseite und begann, den Kadaver mit den vorderen zwei Beinen zu drehen und zu kippen. Immer weiter wendete sie ihn, während das nächste Beinpaar feine, dünne Spinnenseide aus dem nach vorne gekippten Unterleib der Spinne zog und um das Tier wickelte. Alles geschah mit unglaublicher Geschwindigkeit und als ob die Ziege nichts wiege. Innerhalb weniger Augenblicke war das tote Tier vollständig eingewickelt. Areop-Enap hob den Kokon mit den Vorderbeinen und dem daneben liegenden Tasterpaar an und schloss die Kieferklauen darum. Fast glaubte Rian, etwas wie ein Schmatzen zu hören.
Die Prinzessin bemerkte, dass Bangarra auf sie zukam, und stand auf.
»Die Ziege sollte ihr eine Weile reichen«, stellte der Häuptling fest. »Das macht die Gefahr kleiner, dass sie Appetit auf dich bekommt.«
»Frisst sie auch Elfen? Warum tut sie dann dem kleinen stacheligen Kerl nichts?«
Bangarra zuckte die Achseln. »Tiere, Elfen, Götter – sie macht keinen Unterschied. Was ihr zwischen die Fänge kommt, wird eingewickelt, ausgesaugt und gefressen. Ihr geht es bei uns sogar besser als vorher. Areop-Enap wird müde, und sie konnte nicht mehr so viel jagen, wie sie Hunger hatte. Warum sie dem Kleinen nichts tut, weiß ich nicht. Vielleicht ist er ihr zu stachelig. Praktisch, denn seit er uns nahe Yacowies Festung ins Netz gegangen ist, muss niemand von uns mehr die Gefahr auf sich nehmen, sie zu füttern.«
Rian nickte und sah wieder zu der Spinne. Sie hatte den Kokon abgelegt, stand mit wippendem Körper darüber und bewegte die Taster, als wolle sie damit die Luft austesten. Immer wieder ruckte sie herum, drehte sich hin und her, um mit ihren acht Augen alles zu erfassen, was sich im und um das Lager abspielte. Pirx saß nahe einem ihrer Beine im Sand und knabberte an einer Banane. Es schien, als empfinde er die Nähe der Spinne eher als tröstlich denn als bedrohlich.
»Kann ich jetzt mit Areop-Enap reden?«, fragte Rian.
Bangarra nickte. »Dies ist der beste Zeitpunkt, wenn du es wagen willst.«
»Und der kleine Kerl? Könnte er mich angreifen?«
Mit einem Schnauben winkte der Häuptling ab. »Das wird er nicht wagen. Er ist ein Feigling.«
Rian dachte daran, wie oft Pirx schon seinen Mut bewiesen hatte, und schüttelte innerlich den Kopf. Nach außen hin nickte
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