Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
du denn gedacht? Dass Büffel die Arbeit an Bord erledigen?« Die Alte schnaubte und wollte Rian schon die nächste Treppe hinauf zum Zwischendeck schieben, doch die Prinzessin stand wie angewurzelt und musterte die Mannschaft.
Die Elfen sahen durchwegs anders aus als in Eas, wo Rian sich noch vor wenigen Tagen aufgehalten hatte. Nun, dieser Bereich gehörte offiziell zu Jangala, wenngleich er wie die meisten Reiche vermutlich eigenständig war. Jedenfalls hatte Nadja die Elfen Jangalas ganz anders beschrieben. Die meisten Gestalten auf Deck wirkten wie eine wilde Mischung aus Fischen, Seetang und Korallen. Oben in der Rah des Dreimasters hangelte sich gerade ein Krakenköpfiger mit seinen Tentakeln an den Seilen von einem Segel zum nächsten. Auf dem Ausguck hockte ein Elfenmann zusammengekauert, der Klauen wie ein Adler besaß. Sein Körper war mit braunem Gefieder geschmückt, und auch wenn er über menschliche Arme verfügte, hielt er sie seitlich angewinkelt, als wären sie Flügel.
Das waren also See-Elfen, dachte Rian. Für die Schifffahrt geboren – und anscheinend auch für die Piraterie. Bitterkeit erfüllte die Elfe bei dem Gedanken daran, wie fasziniert sie damals in Venedig beim Anblick des Meeres gewesen war, welche Sehnsüchte sie ergriffen hatten. Von der Romantik war nicht mehr viel geblieben, seit sie zu ihrer Suche nach dem Quell der Unsterblichkeit aufgebrochen war. Bisher hatte das Meer oder vielmehr die Völker, die an seinen Gestaden oder auf ihm lebten, ihr nur Gewalt und Schrecken gebracht. Und die fernen Länder der Anderswelt waren zwar faszinierend, aber weitaus gefährlicher, als sie es sich vorgestellt hatte.
Sibyll zerrte an Rians Arm, um sie zum Weitergehen zu bewegen. Plötzlich blickte einer der Piraten zu ihr auf und zog die muschelbewachsenen Augenbrauen hoch. »Eh, guck mal an: ein hochedles Spitzohr! Und dazu noch in Mollys Lieblingskleid! Ich dachte, die soll …«
Bevor er den Satz beenden konnte, hatte die Alte Schnickschnack etwas zugeflüstert. Wie ein Blitz schoss der Papagei daraufhin auf den Kerl zu und stopfte ihm wortwörtlich das Maul, nämlich mit sich selbst. Mit weit aufgerissenen Augen taumelte der Elf rückwärts, rempelte seine Kumpane an, die ihn murrend zur Seite schubsten, griff nach den kleinen Füßchen und versuchte das strampelnde Vieh wieder aus seinem Mund herauszuziehen. Doch Schnickschnack hatte sich ganz offenbar in die fischige Zunge des Plappermauls verbissen. Jeder neue Befreiungsversuch ließ den Elfen lauter brüllen, bis ihm die Tränen in die Augen schossen.
»Noch ein Wort, und ich lass den Kleinen deinen klammen Schlund hinabkriechen und deine algenbewachsenen Gedärme fressen!«, drohte Sibyll zischend. »Das gilt für euch alle! Keiner spricht mit der Edlen hier, oder ich sorge persönlich dafür, dass ihr aufgeschlitzt, ausgenommen und beim nächsten Landgang über dem Lagerfeuer gegrillt werdet!«
Ein Raunen lief durch die Reihen der Mannschaft. Verschreckt zog ein Korallenförmiger seine im Wind wehenden Fühler ein, und ein Haigesichtiger fletschte die Zähne, während unten an der Reling ein dicker Elf mit Walrossbart sich seinen Speckbauch über der Küchenschürze rieb und vor sich hin grinste.
»Das gilt auch für dich, Alriego!«, keifte Sibyll ihn an.
»Alles klar, Mädel. Kein Sterbenswörtchen werd ich an die Schönheit richten. Aber wenn se Hunger hat, gibt der alte Alriego ihr jederzeit was Ordentliches zu beißen aus der Vorratskammer.«
Rian sah noch, dass er ihr mit einem schelmischen Glitzern in den Augen zuzwinkerte, bevor die Alte sie grob im Nacken packte und die Treppe hinaufdrängte. Die Prinzessin konnte nur staunen. Elfen, die sich einer mischblütigen oder vielleicht sogar rein menschlichen Hexe fügten!
Während Rian die Gänge des Zwischendecks entlang vorwärts getrieben wurde, fragte sie sich, wie weitläufig und verschachtelt das Schiff sein musste. Im Verhältnis zu diesem Irrgarten war das Deck nahezu winzig gewesen, als hätte man einem Wal eine kleine Aussichtsplattform auf den Rücken geschnallt. Und Rian fragte sich unwillkürlich, was das Schiff überhaupt vorwärts trieb. Auch wenn die drei Masten ihre Segel voll im Wind hatten, erschien es ihr unmöglich, damit einen so gigantischen mehrstöckigen Kahn durch die aufgewühlte See zu ziehen.
Statt verschmierter Öllampen hingen goldverzierte Laternen an den Wänden, der Boden war mit rotem Samtteppich ausgelegt, und die Tür, vor der sie
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