Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
auf dem Schiff.«
Ihr Sohn konnte nicht mehr antworten. Sein Gesicht und sein Körper begannen Blasen zu werfen! Rhodri blähte sich auf, Haut blubberte – und mit einem widerlich schmatzenden Geräusch zerplatzte er. Doch statt einer schleimig triefenden Pfütze saß plötzlich ein völlig verwandelter Mann auf seinem aus Hölzern zusammen gezimmerten Thron. Mit zufriedenem Grinsen betrachtete Rhodri seine zarten Finger, den schlanken Körper und die feine, funkelnde Kleidung. Sein grobschlächtiges Rundgesicht hatte die Züge eines schneidigen Don Juans angenommen.
»Sie mag keine gute Mutter sein, aber Tränke brauen kann sie!«, rief er und lachte.
Sibyll nahm diesen Seitenhieb ohne Regung hin. Doch als Schnickschnack von Rians Schulter aus krächzend in das Gelächter einfiel, zuckte ihr Kopf in seine Richtung. Sie fixierte ihn mit durchbohrendem Blick, murmelte etwas und klatschte lautstark in die Hände.
Sofort verstummte der Papagei. Wie eingefroren plumpste er von seinem Platz und fiel zu Boden, einem steifen Stück Holz gleich.
Wieder lachte der frisch aufpolierte Piratenkönig, und diesmal stimmte Sibyll mit ein.
Während die übrigen Piraten samt Ladung eintrafen, hob Rian den Papagei zögerlich auf und klemmte ihn sich unter den Arm. Schnickschnack mochte ein Quälgeist sein, aber sie hatte sich an ihn gewöhnt, und er war immer für Informationen gut.
Rhodri war deutlich anzusehen, dass er nunmehr anderes als den üblichen Familienplausch im Sinn hatte. Sobald Sibyll zu einer weiteren Anekdote über die weltblinden Menschen in Temasek ansetzte, schob er seine Mutter mit einem genervten Grunzen beiseite, stand auf und gesellte sich ohne ein weiteres Wort zu einer Gruppe kichernder und tuschelnder Meerschaummädchen.
Doch Sibyll schien das nicht zu stören. Grinsend verfolgte sie das Treiben des Piratenkönigs noch eine Weile, bevor sie Rian erneut mit ihrem Eisengriff am Arm packte. »Komm mit, wir müssen dir etwas Vernünftiges anziehen, bevor das Abendprogramm anfängt.«
Entgegen Rians Befürchtung bot die alte Zauberhexe keine staubigen Roben aus ihrem eigenen Sortiment an, sondern führte sie in ein Zimmer, in dem wohl schon viele Generationen von Frauen ihre Kleider abgelegt hatten. Die Auswahl war beileibe nicht nur auf menschliche Körperformen beschränkt. Da gab es Stücke, die lang genug waren, um einen ausgewachsenen Baum zu bedecken, und Röcke, die sich leicht um einen Elefanten wickeln ließen.
Trotzdem blieb genug übrig, was Rian stehen mochte. Als sie in einem weiteren Zimmer dazu passende Schuhe, Gürtel und Hüte fand, übermannte sie das Fieber. Ein Kleid nach dem anderen probierte sie an, kombinierte verschiedene Accessoires dazu und konnte sich an den vielen kostbaren Stoffen, Goldborten und filigranen Spitzenarbeiten einfach nicht sattsehen, die kunstvoll am Ärmel, Saum, Ausschnitt oder aber Schulter- und Hüftbesatz angebracht waren.
Als Sibyll sie schließlich drängte, sich endlich für etwas zu entscheiden, wählte Rian ein schlichtes fliederfarbenes Stoffkleid mit weitem Rock, der ihr bis knapp über die Knie reichte. Dazu nahm sie einen geflochtenen Gürtel und flache Sandalen mit weicher Lederverschnürung, die sich ihre wohlgeformten Waden hinaufschlängelte.
Im Hof hatten sich die Schausteller, Köche, Bedienstete und Barden bereits versammelt und waren eifrig mit ihren Aufgaben beschäftigt. Neben gebratenem Fisch roch Rian die Süße von warmem Honig auf Brot, die herbe Würze von frisch gezapftem Bier und den Duft verschiedener Tabaksorten.
Fackeln und Lichterketten tauchten die Szenerie in ein Wechselspiel aus Licht und Schatten, das sich den Wind zum Gefährten gesucht hatte.
Auf den Bänken quetschten sich die Gäste aneinander. Piraten, Händler, Frauen allerlei Gewerbes – Elfen und Menschen, Kobolde und Geister –, alles war vertreten. Die Prinzessin ließ den Blick über das Areal schweifen, suchte in den Reihen der Anwesenden nach bekannten Gesichtern. Sie hoffte auf das Aufblitzen einer kleinen roten Mütze im Getümmel oder einen anderen Hinweis dafür, dass ihre Freunde ihr bis in die Höhle des Löwen gefolgt waren und sie retten kamen. Doch vergebens. Weder Pirx noch der Grogoch waren zu sehen.
Stattdessen bemerkte sie Alriego, der etwas abseits an einem der Grillfeuer saß und zu ihr aufblickte. Ihre Blicke trafen sich, und der Walrossmann hob lächelnd die Hand. Auffordernd bedeutete er Rian, sich ihm anzuschließen. Sie wurde aus ihm
Weitere Kostenlose Bücher