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Thennberg oder Versuch einer Heimkehr

Thennberg oder Versuch einer Heimkehr

Titel: Thennberg oder Versuch einer Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gyoergy Sebestyen
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die Kolleginnen ihres verstorbenen Mannes auf der Post. Das war alles. Vielleicht lebte sie nurdeshalb so zurückgezogen, weil man ihr nachsagte, sie hätte etwas mit dem jungen Kranz gehabt. Diese verfluchte Klatschgeschichte hat das Leben meiner Frau vergiftet. Als Witwe musste sie sich noch mehr in Acht nehmen. Eine Witwe kommt leicht ins Gerede. Als ich mit ihr das erste Mal unter vier Augen sprechen konnte, verhielt sie sich abweisend. Ich wagte nicht, zu hoffen.
    Sie hat mich dann trotzdem genommen. Warum sie das getan hat, ist mir unbekannt. Vielleicht konnte sie nicht allein sein. Vielleicht hatte sie nicht länger warten wollen. Sie brauchte eine Stütze, und das Kind brauchte einen Vater. Vielleicht brauchte sie einen einwandfreien Mann, um den Klatsch endlich loszuwerden, und viele Männer hat es damals nicht gegeben. Nicht in meinem Alter. Die meisten waren an der Front. Sie nahm mich, weil ich da war. Und ich war da, weil ich hinke. Manchmal haben Krüppel den Vortritt.
    Das Kind war sehr wild. Man hat mich damals auch gefragt: Warum tun Sie sich das an? Die Helene: Ja, die ist prima, sagte man, aber das Kind ist der Teufel in Person. Mir war das völlig gleichgültig, obwohl Liselotte als kleines Kind wirklich sehr schlimm war. Liselotte, sagte ich zu ihr, wenn du eine Stunde den Mund hältst, bekommst du zwei Pfennige. Daraufhin schrie sie noch lauter. Einmal zerschnitt sie mit einem Holz einen Regenwurm. Liselotte, sagte ich, wenn du eine Stunde brav bist, bekommst du ein Zuckerl. Sie kletterte auf die Bäume und zerfetzte sich das Kleid. Einmal ging sie mit den Fäusten auf die Mutter los. Das war nicht gefährlich, die Fäuste waren nicht größer als Marillen, und sie reichte ihrer Mutter kaum an die Brust.
    Damalsgab ich Liselotte die erste Ohrfeige. Es war notwendig. Auch meine Frau sagte: Da muss eben ein Mann her. Ich habe es lieber mit den Zuckerln versucht und mit den Pfennigen. Wenn gutes Zureden nichts nützte, musste ich sie züchtigen. Ihr hat es nicht weh getan. Sie hat niemals geweint. Sie sah mich nur an, und weg war sie. Wenn sie’s besonders arg trieb, bekam sie es auf den Hintern. Ich legte sie auf die Knie, und dann ging es los. Das klatschte aber nur. Sie spürte es kaum. Mit dem Stock habe ich sie niemals geschlagen. Oder nur selten. Aber niemals auf den Kopf. So etwas war für mich eine echte Überwindung. Ich bin energisch, wenn es sein muss, aber nicht jähzornig. Und außerdem habe ich sie ja geliebt. Ich sah in ihr nicht das Kind, sondern die Tochter der Helene. Ich sah in ihr eine kleine Dame.
    Ich bin zur Verehrung des weiblichen Geschlechts erzogen worden. Meine Großmutter väterlicherseits war eine imposante Frau. Als kleines Kind glaubte ich, sie sei die Jungfrau Maria in Person, so sehr habe ich sie verehrt. Sie sah aus wie das Heiligenbild in der Kirche. Meine Eltern führten eine schlechte Ehe. Es gab oft Krawall. Manchmal kam dann meine Mutter mit verweinten Augen in die Küche, wo ich meine Schulaufgaben machte. Sie streichelte mir den Kopf. Du darfst nie vergessen, dass du ein kleiner Ritter bist, sagte sie. Oder sie sagte: Du bist mein kleiner Beschützer. Wenn wir gemeinsam zur Messe gingen, ermahnte sie mich immer wieder: Du sollst zu den kleinen Mädchen höflich sein, jedes kleine Mädchen ist eine junge Dame. Das war noch in der Volksschule. Unser Lehrer hat das Wort Frau niemals ausgesprochen, ersagte immer: das schwache Geschlecht. Manchmal sagte er auch: das schöne Geschlecht. Für mich waren die Frauen immer wie die Heiligen.
    Wie meine Frau gestorben ist, war Liselotte dreizehn. Ich musste für sie Mutter und Vater in einer Person sein. Es gab damals wenig zu essen, in der Schule ging alles drunter und drüber, es hat zwar den BDM gegeben, aber der veranstaltete meistens nur Feierlichkeiten, eine echte Hilfe war er nicht. Außerdem gab es im Dreiundvierzigerjahr in der Firma viel zu tun. Ich war in jeder freien Minute zu Hause. Ich machte mit Liselotte die Aufgaben, ich passte auf, dass sie sich anständig wusch, ich kaufte die besten Kleider für sie. Viel war ja nicht zu bekommen. Ich hatte keinen anderen Gedanken als Liselotte. Ich war in sie regelrecht vernarrt. Eine Frauenbekanntschaft kam für mich nicht in Frage, ich hatte ja meine Tochter. Ich habe in ihr ihre Mutter gesehen. Ich pflegte sie, wenn sie krank war; und wenn mir etwas fehlte, versorgte sie den Haushalt allein. Wirst du dich jetzt aufhängen? hat sie volle drei Wochen nach dem

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