Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
Schritte zurück und wurden einen Augenblick lang ruhig.
»Entschuldigung«, sagte der Türsteher, und damit waren Ike und Theo durch. Ike bewegte sich, als wäre er mit Fug und Recht im Haus und wüsste genau, wohin. Sie gingen durch eine große Eingangshalle, an die sich ein Aufenthaltsraum anschloss. Beide waren mit Studenten überfüllt. Dann folgte wieder ein offener Bereich, in dem eine Horde männlicher Studenten neben zwei Bierfässern grölend ein Footballspiel auf einer riesigen Leinwand verfolgte. Unter ihnen dröhnte die Musik, und bald hatten sie eine große Treppe entdeckt, die in den Partykeller führte. Auf der Tanzfläche drängten sich wild zuckende und hopsende Gestalten, links davon kreischte und hämmerte Plunder in voller Lautstärke. Ike und Theo mischten sich unter eine Gruppe, die die Treppe hinunterging. Bis sie unten angekommen waren, platzte Theo von der Musik fast das Trommelfell.
Sie versuchten, sich in eine Ecke zurückzuziehen. Der Raum war dunkel, bis auf ein farbiges Stroboskop, das Lichtblitze über die Masse der Körper zucken ließ. Ike beugte sich zu Theo herunter und brüllte ihm ins Ohr. »Ich bleibe hier. Du versuchst, dich hinter der Bühne umzusehen. Beeil dich.«
Theo schlängelte sich geduckt durch die Menge. Er wurde geschubst, gestoßen und um ein Haar auch getreten, aber er arbeitete sich entlang der linken hinteren Wand vor. Ein Stück war zu Ende, alles applaudierte, und für einen Augenblick stockte die Bewegung. Theo beschleunigte das Tempo, ohne sich aufzurichten, wobei er den Blick hin und her wandern ließ. Plötzlich kreischte der Leadsänger los und fing an, ins Mikrofon zu heulen. Der Schlagzeuger legte sich ins Zeug, und ein Gitarrist stürzte sich mit donnernden Akkorden ins Getümmel. Dieser Song war noch lauter. Theo passierte ein paar riesige Lautsprecher, war nur noch einen guten Meter vom Keyboarder entfernt– und dann sah er April, die auf einer Metallkiste hinter dem Schlagzeuger saß. Es war der einzige sichere Platz im gesamten Raum. Er krabbelte praktisch um die Ecke der kleinen Bühne herum und berührte sie am Knie, bevor sie ihn sah.
April war zuerst zu verblüfft, um sich zu rühren, dann schlug sie beide Hände vor den Mund. »Theo!«, rief sie, aber er konnte sie kaum hören.
»Komm mit!«, sagte er.
»Was machst du hier?«, brüllte sie.
»Ich hole dich nach Hause.«
Um 22.30 Uhr beobachtete Chase, der sich neben einer Reinigung versteckt hatte, die Leute, die auf der anderen Straßenseite aus dem Robilio kamen. Zuerst verließen Mr. und Mrs. Shepherd das Restaurant, dann Mr. und Mrs. Coley, dann seine Eltern. Er sah sie wegfahren und überlegte, was er als Nächstes tun sollte. In wenigen Minuten würde sein Handy klingeln. Seine Mutter würde ihn mit Fragen bombardieren. Die Geschichte mit dem kranken Hund konnte er der nicht auftischen.
Neunzehn
Zentimeter um Zentimeter arbeiteten sich Theo und April an der Wand entlang vor, wichen müden Tänzern aus, die gerade eine Pause machten, und gelangten im Halbdunkeln rasch zu einer Tür, hinter der eine Treppe lag. Um Aprils Vater brauchten sie sich keine Sorgen zu machen, der war vollauf mit der besonders leidenschaftlichen Plunder-Fassung des Rolling-Stones-Hits I can’t get no satisfaction beschäftigt.
»Wohin geht es hier?«, brüllte Theo April zu.
»Nach draußen«, brüllte sie zurück.
»Warte! Ich muss Ike holen.«
»Wen?«
Theo flitzte durch die Menge und fand Ike da, wo er ihn zurückgelassen hatte. Gemeinsam mit April stiegen sie die Treppe hinunter und landeten in einem kleinen Hof hinter dem Gebäude. Die Musik war deutlich zu hören und die Wände vibrierten geradezu, aber draußen war es doch deutlich leiser.
»Ike, das ist April«, stellte Theo vor. »April, das ist Ike, mein Onkel.«
»Sehr erfreut«, sagte Ike. April war immer noch zu verwirrt, um etwas zu sagen. Sie saßen allein neben einem kaputten Picknicktisch im Dunkeln. Überall standen Gartenmöbel herum. Die Fenster an der Rückseite des Gebäudes waren zerbrochen.
»Ike hat mich hergefahren«, erklärte Theo. »Wir wollen dich holen.«
»Wieso denn das?«, fragte sie.
»Was ist das denn für eine Frage?«, konterte Theo.
Ike verstand ihre Verwirrung. Er trat einen Schritt vor und legte ihr verständnisvoll die Hand auf die Schulter. »April, zu Hause weiß kein Mensch, wo du bist. Niemand hat eine Ahnung, ob du überhaupt noch am Leben bist. Du bist vor vier Tagen spurlos verschwunden.
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