Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
den Whipples durfte keiner merken, dass Theo nicht da war. Sie überlegten, ob sie die Eltern von Chase einweihen sollten. Ike erbot sich sogar, sie anzurufen und alles zu erklären, aber Theo hielt nichts davon. Mrs. Whipple war ebenfalls Anwältin und gab zu allem ihren Senf dazu. Theo war fest davon überzeugt, dass sie sofort seine Mutter anrufen und alles verderben würde. Aber das war nicht der einzige Grund. Theo wollte Ike heraushalten. Der genoss unter Juristen nämlich einen höchst zweifelhaften Ruf. Theo konnte sich lebhaft vorstellen, wie Mrs. Whipple bei dem Gedanken, dass Ike Boone mit seinem Neffen in wilder Fahrt über die nächtlichen Straßen brauste, einen Anfall bekam.
Um 15.00 Uhr schickte Theo seiner Mutter die nächste SMS : Lebe noch. Bin mit Chase unterwegs. HDL .
Theo erwartete keine Antwort, weil seine Mutter im Augenblick mitten in ihrem Vortrag war.
Um 15.15 Uhr stellten Theo und Chase ihre Räder in der Einfahrt der Whipples ab und gingen ins Haus. Mrs. Whipple holte gerade ein Blech Brownies aus dem Ofen. Sie nahm Theo in die Arme, hieß ihn willkommen und betonte, wie sehr sie sich über seinen Besuch freute. Mrs. Whipple hatte einen Hang zur Dramatik. Theo stellte seine rote Nike-Reisetasche auf den Tisch, wo sie unübersehbar war.
Während seine Mutter Brownies und Milch servierte, erklärte Chase, sie wollten ins Kino und sich danach vielleicht das Volleyballspiel im Stratten College ansehen.
»Volleyball?«, fragte Mrs. Whipple.
»Ich finde Volleyball super«, behauptete Chase. »Das Spiel fängt um sechs an und müsste bis acht zu Ende sein. Uns passiert schon nichts, Mom. Es ist ja nur das College.«
Tatsächlich war das Spiel die einzige Sportveranstaltung, die am Abend überhaupt auf dem Campus stattfand. Und es war ausgerechnet die Damenmannschaft! Chase und Theo hatten sich bisher noch nie ein Volleyballmatch angesehen, weder live noch im Fernsehen.
»Was läuft denn im Kino?«, fragte sie, während sie die Brownies schnitt.
» Harry Potter «, sagte Theo. »Wenn wir uns beeilen, verpassen wir nur ganz wenig.«
»Und von da gehen wir direkt zum Spiel«, warf Chase ein. »Einverstanden, Mom?«
»Von mir aus«, sagte sie.
»Und du bist mit Dad heute Abend essen?«
»Ja, mit den Coleys und den Shepherds.«
»Wann kommt ihr nach Hause?«, fragte Chase mit einem Seitenblick auf Theo.
»Keine Ahnung. Zehn oder halb elf. Daphne ist hie r und will Pizza bestellen. Was hältst du davon?«
»Gute Idee«, erwiderte Chase. Wenn sie Glück hatten, waren Theo und Ike um zehn bereits in Chapel Hill. Am schwierigsten würde es werden, Daphne zwischen acht und zehn aus dem Weg zu gehen. Chase hatte noch keinen Plan, aber er würde sich etwas einfallen lassen.
Sie bedankten sich für den Imbiss und verabschiedeten sich, angeblich, um ins Paramount zu gehen, das altmodische Kino von Strattenburg in der Main Street. Als sie weg waren, brachte Mrs. Whipple Theos Übernachtungsgepäck nach oben in das Zimmer ihres Sohnes und stellte es auf das Doppelbett.
Um 16.00 Uhr verließen Theo, Ike und Judge mit dem Geländewagen das Haus der Boones, während sich Chase allein den neuen Harry Potter ansah.
Das Navigationssystem gab die Fahrzeit mit sieben Stunden an, vorausgesetzt, man hielt sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit. Das fiel Ike natürlich nicht im Traum ein.
»Nervös?«, fragte Ike, als sie die Stadt hinter sich ließen.
»Ja, allerdings.«
»Und warum?«
»Ich habe Angst, erwischt zu werden. Wenn Mrs. Whipple etwas merkt, ruft sie meine Mutter an, und meine Mutter mich. Dann gibt es richtig Ärger.«
»Wieso sollte es Ärger geben, Theo? Du willst doch nur deiner Freundin helfen.«
»Aber ich bin nicht ehrlich, Ike. Ich mache den Whipples etwas vor und meinen Eltern auch.«
»Du musst das große Ganze sehen, Theo. Wenn alles gut läuft, sind wir morgen früh mit April wieder zu Hause. Deine Eltern werden sich genauso darüber freuen wie alle anderen. In Anbetracht der Umstände handelst du völlig richtig. Du musst vielleicht ein bisschen tricksen, aber es geht eben nicht anders.«
»Trotzdem bin ich nervös.«
»Ich bin dein Onkel, Theo. Was ist falsch daran, dass ich mit meinem Lieblingsneffen einen Ausflug mache?«
»Eigentlich nichts.«
»Dann hör auf, dir Sorgen zu machen. Jetzt geht es nur darum, April zu finden und nach Hause zu bringen. Alles andere ist zweitrangig. Wenn wir auffliegen, rede ich mit deinen Eltern und übernehme die
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