Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
siehst so exotisch aus wie immer.«
Sie trug einen orangefarbenen Pullover, Brille und Lippenstift waren darauf abgestimmt.
Sie ignorierte Ike und sah Theo an. » Was machst du denn hier?«
» Ich komme zur Beerdigung.« Theo steuerte bereits auf die Bibliothek zu.
» Kannst du bitte Woods und Marcella holen?«, fragte Ike. » Wir müssen in der Bibliothek Familienrat halten.«
Normalerweise ließ sich Elsa von niemandem etwas sagen, aber ihr war klar, dass die Sache ernst war. Zum Glück war Mrs. Boone allein in ihrem Büro, und Mr. Boone wälzte oben Akten.
Die beiden stürzten hintereinander in die Bibliothek.
Sobald Ike die Tür geschlossen hatte, sah Mrs. Boone Theo an. » Geht es dir gut?«
Mr. Boone folgte ihrem Beispiel. » Was ist los? Wieso bist du nicht in der Schule?«
» Immer mit der Ruhe«, mischte sich Ike ein. » Jetzt setzen wir uns erst mal alle hin und reden über die Sache.«
Sie setzten sich, wobei Theos Eltern ihn musterten, als hätte er ein Verbrechen begangen.
» Jetzt hört ihr erst mal mir zu«, fuhr Ike fort. » Wenn ich fertig bin, kann Theo reden. Am Mittwoch vor zwei Tagen hatte Theo ein Gespräch mit einem Schulfreund. Daraus ergab sich ein weiteres Gespräch, in dessen Verlauf Theo von Fakten erfuhr, die sich dramatisch auf den Prozess gegen Pete Duffy auswirken könnten. Kurz gesagt, es gibt einen Zeugen, von dem keiner etwas ahnt. Nicht die Polizei, nicht die Staatsanwaltschaft, nicht die Verteidigung, nur Theo und sein Freund. Da Theo nicht wusste, was er tun sollte, wandte er sich an mich. Aber ich weiß auch nicht, was wir tun sollen, deswegen sind wir hier.«
» Wieso hast du uns nichts erzählt?«, fuhr Mrs. Boone Theo an.
» Er erzählt es euch doch jetzt«, fauchte Ike zurück.
» Ich hatte Angst«, sagte Theo. » Habe ich immer noch, und ich habe diesem Freund versprochen, keinem was zu erzählen.«
» Was weiß dieser Zeuge?«, erkundigte sich Mr. Boone.
Theo sah Ike an, und Ike sah Theo an. Nur zu, sagte Ikes Blick. Theo räusperte sich und schaute seine Mutter an. » Also, dieser Zeuge hat sich zum Zeitpunkt des Mordes in der Nähe des Hauses der Duffys aufgehalten. Er hat gesehen, wie Mr. Duffy in einem Golfcart vorgefahren kam, seine Schuhe ausgezogen und einen Golfhandschuh an die rechte Hand gezogen hat. Danach ist er ins Haus gegangen und ein paar Minuten später wieder herausgekommen. Das war etwa um die Zeit, als Mrs. Duffy ermordet wurde. Dann hat er seine Schuhe angezogen, die Golfhandschuhe in seine Tasche gesteckt und ist weggefahren, als ob nichts passiert wäre.«
» Woher weißt du, dass es zum Zeitpunkt des Mordes war?«, fragte Mrs. Boone.
» Der Pathologe hat gesagt, sie ist gegen 11 . 45 Uhr gestorben. Der Zeuge hatte gerade Mittagspause, und die fing um halb zwölf an.«
» Und Mr. Duffy hat diesen Zeugen nicht gesehen?«, fragte Mr. Boone.
» Nein. Der Mann saß hinter Bäumen versteckt. Er arbeitet auf dem Golfplatz.«
» Weißt du, wie er heißt?«, fragte Mrs. Boone.
» Nein, aber ich weiß, wer er ist.«
» Hast du mit ihm geredet?«, wollte Mr. Boone wissen.
» Ja.«
» Und wo hast du mit ihm geredet?«, hakte Mrs. Boone nach.
Theo fühlte sich wie ein Prozesszeuge in einem harten Kreuzverhör. Er zögerte, und Ike sprang in die Bresche: » Er will den Namen des Zeugen und seines Freundes nicht verraten, und wenn ihr zu viele Fragen stellt, könnt ihr vielleicht auf deren Identität schließen.«
» Ich habe es versprochen«, sagte Theo flehentlich. » Ich habe versprochen, keinem ein Wort zu sagen. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.«
» Deswegen ist er zuerst zu mir gekommen«, erklärte Ike. » Weil er einen Rat brauchte. Er wollte euch nicht beunruhigen, aber jetzt gibt es einen neuen Aspekt. Stimmt’s, Theo?«
Seine Eltern schienen ihn mit Blicken durchbohren zu wollen. Theo wand sich auf seinem Stuhl und trommelte mit den Fingern auf den langen Eichentisch.
» Sag’s schon, Theo«, befahl Ike.
» Raus mit der Sprache«, schloss sich Mr. Boone an.
Theo erzählte von den Handschuhen.
» Und die hast du?«, fragte Mrs. Boone, als er geendet hatte.
» Ja.«
» Wo sind sie jetzt?«
» Unten, hinter einem Karton mit alten Scheidungsakten versteckt.«
» Hier im Keller? In unserer Kanzlei?«
» Ja, Mom. Hier. Unter uns.«
Mr. Boone stieß einen Pfiff aus. » Oh, Mann.«
Lange herrschte Schweigen, während die vier Boones die Situation Revue passieren ließen und überlegten, welche Gesetze und
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