Theo Boone - Unter Verdacht: Band 3 (Heyne fliegt) (German Edition)
aß er auswärts zu Mittag. Sein PC lief, wie immer, der Bildschirmschoner hatte sich eingeschaltet.
Die einfachste Art, sich das Passwort » auszuleihen«, war, es sich von einem der fünf PC s zu holen. Die beiden Anwälte hatte je einen, Vince, Dorothy und Elsa ebenfalls. Wenn Theo wirklich so weit gehen wollte, dann war dies die perfekte Gelegenheit. Allerdings war er noch nicht überzeugt, dass es das Richtige war. Ike war sicher, aber Theo war nicht Ike. Theo hatte das Gefühl, dass es Unrecht war, vielleicht nicht rechtswidrig, aber doch falsch.
Die Grenze zwischen Recht und Unrecht war früher immer klar gewesen, aber jetzt gab es überhaupt keine Klarheiten mehr. Zu viel Unrecht war über ihn hereingebrochen. Es war Unrecht, dass sich jemand Zugang zu seinem Spind verschafft und Diebesgut dort versteckt hatte, um Theo in Schwierigkeiten zu bringen. Es war Unrecht, dass ihm jemand auflauerte, seine Reifen aufschlitzte und seine Fensterscheibe einwarf. Theo hatte nichts Unrechtes getan, trotzdem wurde er wie ein Krimineller behandelt. Die Polizei hatte sich auf den falschen Verdächtigen eingeschossen. Es war ungerecht, dass die Polizei ihm nicht glaubte, und falls gegen Theo Anklage erhoben wurde, war auch das ungerecht. Es war unrecht von Theo gewesen, sich in die Schlägerei einzumischen, obwohl sein Vater, Vince und Ike das für nicht weiter schlimm zu halten schienen. War es unrecht, wenn Theo gegen alle Regeln der Kanzlei verstieß und sich das Passwort beschaffte, um ein größeres Unrecht zu verhindern? Konnte aus Unrecht Gutes entstehen?
Es war alles extrem verwirrend, aber Theo vertraute Ike, und Ike zweifelte nicht daran, dass es richtig war, sich das Passwort zu beschaffen.
Theo brachte Judge in sein Büro und schickte ihn schlafen. Nachdem der Hund in seinem Körbchen war, schlich sich Theo in den Gang und horchte aufStimmen. Dorothy und Elsa tauschten Rezepte aus. Von seinem Vater oben war nichts zu hören– Woods Boone hielt bekanntermaßen während der Mittagspause ein Nickerchen. Theo schlüpfte in Vinces Büro, schloss die Tür und verriegelte sie. Er setzte sich auf Vinces Stuhl und inspizierte seinen PC , wobei er peinlich darauf achtete, nichts auf demSchreibtisch durcheinanderzubringen. Der Bildschirmschoner zeigte ein Standardfoto eines Sonnenuntergangs über dem Meer. Theo klickte auf Hauptmenü und wählte InfoBrief. Da ein Passwort verlangt wurde, verließ er die Anwendung und ging in den Windows Explorer. Im Ordner Desktop fand er eine Datei mit Passwörtern. Vince hatte jede Menge Kennwörter, und Theo kam sich vor wie ein Spanner, als er die Datei durchsuchte. Passwörter für Internetshops, Mobiltelefone, zwei Partnervermittlungs-Websites, einen Reiseanbieter, ein Computer-Footballspiel und mindestens ein Dutzend andere. Am Ende der Liste war InfoBrief aufgeführt: das Passwort war Avalanche88TeeBone33. Theo notierte es hastig und ging zurück ins Hauptmenü. Wieder klickte er InfoBrief an und gab das Passwort ein. Der Bildschirm wurde schwarz, bis nach fünf Sekunden die Zeile » InfoBrief-Boone & Boone-Konto: 647R« erschien. Theo notierte sich den Code und klickte auf OK . Eine lange Liste mit Namen erschien, und als er Denise Sneiter gegen William B. Sneiter las, wusste Theo, dass er die Scheidungsverfahren seiner Mutter gefunden hatte. Hastig schloss er die Anwendung, ging zum Hauptbildschirm zurück und stand auf, ohne noch etwas anzufassen. Er holte tief Luft und drehte den Türknopf, überzeugt davon, dass draußen nur jemand darauf wartete, ihn sich zur Brust zu nehmen. Aber die Luft war rein, und so lief er zurück in sein kleines Büro, wo sein Hund friedlich schlief und Theo in Sicherheit war.
Theo wusste, dass das InfoBrief-Konto am Freitag um 12.14 Uhr einen Zugriff von Vinces Computer aus registrieren würde, konnte sich aber nicht vorstellen, dass das auffiel. Wenn ihn jemand fragte, würde er einfach alles abstreiten. Immerhin war Freitagnachmittag, und die Chancen standen gut, dass weder Vince noch seine Mutter vor Montagmorgen InfoBrief benutzten. Vor allem aber wurde das Zugangsprotokoll des Systems nicht routinemäßig aufgerufen und geprüft.
Obwohl bisher alles glattgegangen war, fühlte sich Theo mies. Er überlegte, ob er Ike Passwort und Code tatsächlich verraten sollte, und neigte immer mehr dazu, es nicht zu tun. Herumschnüffeln und Kennwörter von Vinces kaum gesichertem Computer stibitzen war eine Sache, aber wenn Ike die Akten tatsächlich
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