Theodor: Im Zeichen des Bösen (German Edition)
gleiten zu lassen. Vorsichtig drehte er seine Hand so, dass Sally die gebogene Nadel nicht sehen konnte. Langsam, sehr langsam wandte er sich der Tür zu. Vergeblich versuchte er, den Schlüssel in das Schloss zu stecken. Ein Gegenstand steckte darin.
„Es geht nicht“, sagte Dolph ganz ruhig.
„Lüg mich nicht an!“, zeterte Sally. Sie machte zwei Schritte vorwärts, um besser sehen zu können. Dolph machte einen kleinen Schritt beiseite, damit Sally auf das Schloss blicken konnte. Mit nur zwei Fingern versuchte er, den Schlüssel in das Schloss zu stecken.
„Etwas steckt im Schloss“, sagte er.
Sally sah noch genauer hin. Mit nur einem Auge fiel es ihr schwer, Dinge von Weitem zu erkennen. Dolphs Finger umklammerten die Stricknadel.
„Dieser verdammte Hurensohn“, zischte Sally. Noch einen Schritt kam sie ihm näher, den Lauf der Waffe hielt sie nun auf seine Brust gerichtet – den Finger am Abzug. Nur noch eine Armlänge trennte sie voneinander. Sachte drehte Dolph die Nadel, sodass er sie wie eine Stichwaffe in der Hand halten konnte. Der Winkel, den Bill gebogen hatte, war von Vorteil.
Sally ließ ihn nicht aus den Augen.
„Versuch es rauszuholen“, forderte sie ihn nach einer Weile auf. Dolph sah von Sally auf Chrissie. Regungslos stand sie da und traute sich nicht, sich zu bewegen.
„Mach schon!“, giftete Sally nervös. Zur Bekräftigung kam sie noch etwas näher. Darauf hatte Dolph nur gewartet. Ehe Sally sich versah, schnellte sein Arm nach vorn und drückte den Lauf zur Seite.
Das Krachen des Schusses vermischte sich mit Chrissies Aufschrei.
Gleichzeitig, als Dolph die Schrotflinte beiseite gedrückt hatte, sprang er an Sally heran und rammte ihr mit voller Wucht die Stricknadel in den Handrücken. Schmerzverzerrt ließ sie die abgesägte Flinte fallen und hob sich die Hand vor das Gesicht, die von der Nadel bis zum gewinkelten Anschlag durchbohrt worden war.
Sally wankte. Der Schmerz war groß, beinahe raubte es ihr die Sinne. Dolph bückte sich, um die Flinte an sich zu nehmen, ließ Sally jedoch nicht aus dem Auge. Plötzlich, völlig unerwartet, stürzte die sich auf ihn.
Chrissie konnte nur noch zusehen, wie sich die Nadel bis zur Handfläche in die Schulter ihres Vaters versenkte. Mindestens acht Zentimeter tief. Ruckartig zog Sally den runden lackierten Stahl wieder heraus und hob die Hand zum nächsten Stich empor. Ein heftiger Fußtritt, den Chrissie mit einem gellenden Aufschrei gegen ihre Schläfe versetzte, hinderte sie daran, ein weiteres Mal zuzustechen. Ihr Kopf wurde regelrecht beiseite geschleudert, wobei die Augenbinde verrutschte. Mit einem lauten Stöhnen brach Sally zusammen.
Chrissies Atem ging kurz. Wut, unendliche Wut ließ sie erzittern. Mit Genugtuung sah sie zu, wie Sally auf dem Rücken zum Liegen kam. Der Anblick des fehlenden Auges war ekelhaft, grauenvoll.
Das leise Stöhnen ihres Vaters riss sie aus dieser Fassungslosigkeit. Etwas entkräftet zog er sich am Küchentisch hoch und konnte sich nur vage an der Kante festhalten.
„Ich glaube, du hast mir das Leben gerettet“, kam es kaum hörbar über seine Lippen. Verbissen drückte er seine Handfläche auf die blutende Wunde.
„Mein Gott“, entfuhr es Chrissie, als sie das Blut zwischen seinen Fingern hervor rinnen sah. Hilfe suchend sah sie sich um. Mehrere zusammengelegte Tücher lagen auf einer Ablage. Eines davon nahm sie, faltete es so weit zusammen, bis es nicht weiter ging, und presste es auf die Wunde.
„Drück es fest drauf“, forderte Chrissie ihn auf. Ihre Stimme vibrierte, ihre Hände zitterten.
Dolph versuchte zu lächeln. „Such nach einer Flasche Whiskey“, verlangte er leise.
Chrissie zögerte nicht lange. Nacheinander riss sie sämtliche Schränke und Schubladen auf. Kein Whiskey, kein Schnaps – nicht ein Tropfen Alkohol, den sie zum Desinfizieren hätte nehmen können. Kurz entschlossen eilte sie ins Restaurant, da wurde gleichzeitig die Hoteltür geöffnet. Ihr erster Gedanke galt der Wirtin. Geistesgegenwärtig wollte sie zurückweichen, da betrat Wesley das Restaurant. Erleichtert atmete Chrissie auf, als sie den Arzt erkannte.
„Ich habe einen Schuss gehört!“, sagte Wesley, während er auf Chrissie zu geeilt kam. Über ihre Schulter hinweg sah er Sally regungslos auf dem Küchenboden liegen. Sein erster Eindruck war, dass Sally nicht mehr unter den Lebenden weilte. Ein kurzes, fast unmerkliches Zucken verzog seine Mundwinkel. Ihren Vater allerdings konnte er
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