Theodor: Im Zeichen des Bösen (German Edition)
vernehmen.
„Verdammt!“, fluchte Bill, als er seinen Fuß auf die zweite Stufe setzte. Er konnte auch noch so vorsichtig auftreten, das verräterische Knarren des Holzes war nicht zu vermeiden. Zwei Stufen auslassend, versuchte er daher, die Treppe so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ron folgte seinem Beispiel. Oben angelangt deutete Bill ihm an, sich nicht zu bewegen. Angestrengt lauschte er. Diese Stille, diese ungewöhnliche Stille kam ihm sehr eigenartig vor.
Vor ihnen lag ein langer Flur. Ihr Gepäck hatten sie ja schon in Parkers Zimmer geschafft. Dieses war ungefähr in der Mitte des Flurs. Mittels einer kurzen Kopfbewegung zeigte Bill an, dass er weitergehen wollte. Nur ihre leisen Tritte auf dem rotbraunen Teppich drangen, verursachten Geräusche. Das kaum hörbare Öffnen der ersten Tür, an der sie soeben vorbei schritten, vernahmen sie nicht. Nur einen spaltbreit wurde sie geöffnet – und wieder geschlossen, als sie vor Dolphs Zimmer standen.
Behutsam drückte Bill die Klinke. „Gott sei Dank“, atmete er auf. Schnell schlüpften sie hintereinander durch den Türspalt. Bill bedurfte nur weniger Handgriffe, um seine Koffer zu packen. Nachdem Ron die anderen Gepäckstücke an sich genommen hatte, verließen sie das Zimmer wieder.
Kaum hatten sie die ersten Stufen hinter sich, wurde die vordere Tür erneut geöffnet. Der Landstreicher betrat den Flur. Gelassen bewegte er sich auf die Treppe zu und blieb unmittelbar davor stehen.
„Ihr könnt mir nicht entkommen“, sprach er zu sich selbst, nachdem sie das Hotel fluchtartig verlassen hatten. „Niemand kann mir, Scarliet Ebestan, entkommen. Alle seid ihr mir ausgeliefert. Früher oder später! Es liegt an euch, wie hart eure Strafe ausfallen wird. Nur an euch ganz allein.“
Einige Minuten verstrichen, in denen er regungslos verharrte. Selbst als Geräusche von unten herauf zu ihm drangen, regte er sich nicht.
Sally betrat das Foyer. Die Miene des Landstreichers verfinsterte sich. Langsam kam sie die Stufen zu ihm empor geschritten; die Schrotflinte hing ihr quer über dem Rücken, eine Stoffklappe verdeckte das fehlende Auge. Anstelle der Stricknadel, die ihr Dolph durch die Hand gejagt hatte, schimmerte ein kleines nässendes Loch. Schmerz schien Sally nicht zu kennen. Wenige Stufen vor ihm blieb sie stehen.
„Komm näher!“, befahl er ihr. Stumm kam sie seiner Aufforderung nach. Direkt vor ihm blieb sie stehen und sah erwartungsvoll zu ihm auf.
„Du hast versagt!“, zischte er. Jäh schnellte seine Hand hervor, eisern klammerten sich seine Finger um ihre Kehle. „Ich habe dir aufgetragen, mir das Mädchen zu bringen!“, fauchte er und begann Sally einfach emporzuheben. Der Landstreicher musste über außergewöhnliche Kräfte verfügen, um die achtzig Kilogramm einfach aus dem Stegreif stemmen zu können. Seine Fingernägel bohrten sich in ihr Fleisch, Blut rann an seinen Fingern hinab.
„Versager müssen sterben!“, kam es kaum hörbar über seine Lippen. Mit einem gewaltigen Ruck schleuderte er sie einfach über das Geländer hinweg von sich. Dumpf schlug ihr Körper auf dem Boden auf und das Geräusch brechender Gliedmaße drang zu ihm.
Mühsam schleppten sie das Gepäck den steilen Weg durch den Wald hinauf. Links ging es bergab, rechts bergauf. Der schmale Pfad war beschwerlich, und oft mussten sie hintereinander gehen.
Wie ein kleines mittelalterliches Schloss lag Larsens Residenz inmitten der Wälder von Harbourn. Ein herrlicher Baustil mit einer unschönen Einfriedung. Die Holzpalisaden kamen einem Fort näher, als einem Schloss.
In treibender Schweißarbeit hatte Arnolds Vater diese Einfriedung nach dem plötzlichen Tod seiner Frau im vergangenen Jahr von seinen Arbeitern erbauen lassen. Niemand verstand es – und Arnold sprach nicht darüber.
Chrissie war von dem Anwesen auf den ersten Blick hin fasziniert. Es bot Platz und Schutz. Sie dankte Arnold innig für die Aufnahme und zog prompt Rons Eifersucht auf Arnold. Auf dem Weg von Wesleys Praxis bis hier her hatte Ron sie nicht einmal aus den Augen gelassen.
Helen registrierte das sofort. Immer wieder hatte sie sich zurückfallen lassen, um Ron und Arnold beobachten zu können. Hierbei fiel ihr auch Rons ständiges Kratzen an der linken Brust auf.
Nun befanden sie sich in dem pompösen Wohnzimmer der Familie Larsen. Mehr ein Saal als ein Zimmer! Eichenparkett und Mahagonimöbel, wertvolle Gemälde und teure Wandteppiche verliehen dem grandiosen Raum
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