Theodor: Im Zeichen des Bösen (German Edition)
einen nachhaltigen Eindruck. Ein riesiges Hirschgeweih thronte über dem Rundbogen zum Nebenzimmer. Eine schmucke Standuhr tickte gleichmäßig. Sie stand solitär zwischen zwei Fenstern, die Blick in den großen Garten gewährten.
Spuren der Party waren noch zu erkennen. Sogar zwei Partytische standen noch neben dem Billardtisch, der die Mitte des Saales bildete. Direkt darüber ein prachtvoller Kronleuchter; ein Vermögen!
„Du wohnst ganz alleine hier?“, stellte Chrissie an Arnold eine Frage, nachdem sich jeder einen Platz ausgesucht hatte. Chrissie saß auf dem Sofa, Arnold lehnte am Billardtisch.
„Mit meinem Vater“, antwortete Arnold. „Mein Vater befindet sich zurzeit auf Geschäftsreise. Meine Mutter starb letztes Jahr unerwartet.“
Chrissie sah ihn mit großen Augen an. „Ich – weiß, wie schmerzhaft das ist“, sagte sie zu ihm. „Meine Mom ist auch gestorben. Vor zwei Wochen – unerwartet.“
„Oh, das tut mir sehr leid.“
„Wir wollten hier eigentlich unseren Frieden finden“, sprach sie offen weiter. „Meine Mom war öfters hier und hat die Gegend genossen.“
„Und du? Dich habe ich noch nie gesehen. Weder hier noch in Melbourn.“
„Ich war noch nie hier.“ Chrissie hielt kurz inne. „Warum sind die Menschen plötzlich so geworden?“, fragte sie ihn unvermittelt. „Weißt du denn, was passiert ist?“
„Eigentlich – nicht“, antwortete Arnold stockend. „Es gibt zwar Theorien – aber wissen tun wir es nicht.“
„Ich kann das alles gar nicht fassen“, fuhr sie unbeirrt fort. „Die Wirtin war so nett zu uns. Der Pater, er hat uns so liebevoll empfangen. Und jetzt das! Wie kann das sein? Warum finden in eurer Kirche solche schreckliche Dinge statt? Warum?“
„Ich – weiß es nicht.“ Arnold konnte ihrem Blick nicht mehr standhalten. Unweigerlich sah er beiseite – und dann zu Ron. Scheinbar teilnahmslos lehnte Ron mit gesenktem Kopf an der Fensterbank.
„Warum haben wir eigentlich nicht den Pater aufgesucht?“, fragte sie, wobei sie ihren Vater ansah. „Nach alldem, was passiert ist...“
Dolph saß neben ihr. Hilfe suchend warf er einen Blick auf Bill.
„Hast du einen Plan?“, fragte er ihn leise; wohl um von Pater Athelwolds abzulenken.
„Einen Plan“, murmelte Bill. Aufmerksam war er der Unterredung gefolgt. „Um einen Plan auszuhecken, sollten wir erst einmal herausbekommen, wo sich ihr Schlupfwinkel befindet.“
„Da gibt es viele Möglichkeiten“, meldete sich Wesley zu Wort, der unmittelbar neben Bill an einem Partytisch lehnte.
„Ich denke da entweder an die Kirche oder an das Hotel. In einem von diesen beiden Gebäuden vermute ich den Schlüssel zu dem Ganzen. Dort haben sich die Dinge zugetragen.“
Chrissie lehnte sich zurück. Mit Arnold zu reden hatte ihr gut getan und sie nahm sich vor, ein Gespräch mit ihm zu beginnen, sobald die Situation es ergibt und sie wieder mehr bei Kräften ist. Die letzten Stunden und die Nächte mit den Albträumen zehrten an ihr ungemein.
„Ron erzählte etwas von einem Landstreicher, dem er begegnet sei“, sagte Wesley darauf. „Etwas ungewöhnlich für Harbourn“, fügte er schnell hinzu.
„Ein Landstreicher?“, entrüstet warf Bill einen Blick auf Ron. „Du hast mir nichts davon gesagt“, machte er ihm einen Vorwurf.
Ron reagierte nicht darauf. Seine Augen verschlossen tat er, als würde er im Stehen schlafen.
„Ron ist der Einzige, der den Landstreicher gesehen hat.“ Wesley sah Ron nun ebenfalls an. „Etwas ist mit ihm“, flüsterte er Bill zu. „Der Virus...“
„Hm“, brummte Bill. „Wir befinden uns alle in einer Ausnahmesituation.“
„Der Pater“, flüsterte Wesley weiter. „Wir können ihn nicht dort liegen lassen, wo wir ihn hingebracht haben.“
„Wo ist er noch mal?“
„Im Pfarrhaus. Wir müssen ihn zumindest in das Leichenhaus bringen. Und dort kann er auch höchstens zwei Tage liegen.“
„Zwei – Tage?“ Bills Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. „In zwei Tagen will ich nicht mehr hier sein.“ Er wurde wieder ernst. „Aber versorgen müssen wir ihn. Da hast du recht.“
„Du meinst, wir finden einen Weg hier raus?“
„Und wenn ich zu Fuß nach Melbourn gehe.“ Bill schaute auf Chrissie, die sich soeben auf das Sofa legte und die Augen schloss. „Einer wird den Weg auf sich nehmen müssen, um Hilfe herbeizuholen.“
„Ich werde gehen“, schoss es aus Wesley hervor. „Ich bin gut konditioniert. In zwei bis drei Stunden
Weitere Kostenlose Bücher