Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Hand behauptet, ohne dass die Vernunft oder Schrift dergleichen sagt; aber er hätte zeigen sollen, dass alle Stellen, welche nur mittelbar anderen widerstreiten, ohne der Sprache und der Stelle Gewalt anzuthun, gleichnissweise erklärt werden können; ferner, dass die Bibel unverderbt in unsere Hände gelangt ist.
Ich will jedoch die Sache ordnungsmässig untersuchen, und da frage ich in Betreff des ersten Punktes, ob man auch da, wo die Vernunft sich entgegenstellt, das, was die Schrift sagt oder verneint, als wahr annehmen und als falsch verwerfen solle. Wenn er wenigstens zusetzte, dass die Schrift nichts enthält, was der Vernunft widerstreitet! Allein ich bleibe dabei, dass sie ausdrücklich behauptet und lehrt, Gott sei eifersüchtig (so in den zehn Geboten, und Exod. IV. 14, und Deut. IV. 24 und anderen Stellen). Dies widerstreitet aber der Vernunft; also muss es doch für wahr gehalten werden; ja, wenn an anderen Stellen der Schrift Gott für nicht eifersüchtig erklärt wird, so müssen diese gleichnissweise so erklärt werden, dass sie dies nicht sagen wollen. So sagt die Schrift ferner, Gott sei auf den Berg Sinai herabgestiegen (Exod. XIX. v. 20 u. f.), und schreibt ihm auch andere Bewegungen zu, und sie lehrt nirgends ausdrücklich, dass Gott sich nicht bewege; folglich müssten auch dies Alle als wahr annehmen; und wenn Salomo sagt, Gott werde von keinem Orte umfasst (1. Könige VIII. 27), so muss da, wo dies nicht ausdrücklich erklärt, sondern nur daraus folgt, dass Gott sich nicht bewege, die Stelle so erklärt werden, dass sie der Ortsbewegung Gottes keinen Abbruch thue. Ebenso müssten die Himmel für Gottes Wohnung und Thron gehalten werden, weil die Schrift dies ausdrücklich sagt. In dieser Weise müsste man nach der Meinung dieses Schriftstellers noch Vieles für wahr annehmen, was nur nach den Auffassungen der Propheten und der Menge gesagt ist, und was nur aus der Vernunft und Philosophie, nicht aber aus der Schrift sich als falsch ergiebt.
Ferner ist es unrichtig, wenn er behauptet, dass eine Stelle der anderen nur mittelbar, aber nie geradezu widerspreche. Denn Moses sagt geradezu, Gott sei ein Feuer (Deut. IV. 12), und wenn Maimonides entgegnet, dass damit nicht geradezu, sondern nur mittelbar geleugnet werde, dass Gott ein Feuer sei, und man deshalb die Stelle so auslegen müsse, dass sie dies nicht bestreite, nun wohl, so will ich zugeben, Gott sei ein Feuer; oder vielmehr, um nicht mit ihm irre zu reden, will ich dies fallen lassen und ein anderes Beispiel wählen. Samuel bestreitet nämlich geradezu, dass Gott seinen Ausspruch bereue (1. Sam. XV. 29), und Jeremias behauptet dagegen, es reue Gott des Guten und Uebeln, was er beschlossen gehabt (Jerem. XVIII. 8 10). Wie nun? stehen auch diese Stellen sich nicht geradezu entgegen? welche von beiden soll also gleichnissweise ausgelegt werden? Jede dieser Stellen lautet allgemein und widerspricht der anderen; was die eine geradezu behauptet, das leugnet die andere geradezu. Jener Rabbiner muss also selbst nach seiner eigenen Regel dasselbe zugleich als wahr annehmen und als falsch verwerfen. - Was macht es ferner für einen Unterschied, ob eine Stelle geradezu oder nur mittelbar einer anderen widerstreitet, wenn diese Folge klar ist, und die Umstände und Natur dieser Stelle die gleichnissweise Auslegung nicht gestatten? Solche finden sich viele in der Bibel; man sehe das zweite Kapitel, wo ich gezeigt habe, dass die Propheten verschiedene und widersprechende Meinungen gehabt haben; insbesondere auch alle jene Widersprüche in den Erzählungen, welche ich in Kap. 9 und 10 aufgezeigt habe. Ich brauche dies nicht Alles aufzuzählen; das Gesagte genügt, um den Widersinn, der aus dieser Meinung und Regel folgt, ihre Unwahrheit und die Uebereilung des Verfassers darzulegen.
Deshalb werfe ich beide Aussprüche des Maimonides bei Seite, und es bleibt dabei, dass weder die Theologie der Vernunft, noch diese jener zu dienen braucht, sondern jede ihre eigene Herrschaft behält. Die Vernunft ist nämlich, wie gesagt, das Reich der Wahrheit und Weisheit, die Theologie das der Frömmigkeit und des Gehorsams; denn die Macht der Vernunft geht nicht so weit, dass sie bestimmen könnte, die Menschen könnten durch den Gehorsam allein ohne Erkenntniss der Dinge selig sein. Die Theologie sagt aber nur dies und verlangt nur Gehorsam, und sie will und vermag nichts gegen die Vernunft. Denn sie bestimmt, wie in dem vorgehenden Kapitel gezeigt
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