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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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überlasse ich Jedermanns Urtheil zu entscheiden.
     
    Ehe ich weiter gehe, mochte ich noch auf die Einwendungen im ersten Kapitel antworten, als es sich um Gott handelte, der von dem Berge Sinai zu den Israeliten spricht. Dies kann aus dem hier Dargelegten nun leicht geschehen; denn wenn auch jene Stimme, welche die Israeliten hörten, ihnen keine philosophische oder mathematische Gewissheit von dem Dasein Gottes geben konnte, so genügte sie doch, um sie zur Bewunderung Gottes, wie sie ihn bisher gekannt, hinzureissen und zu dem Gehorsam anzutreiben; dies war der Zweck dieses Schauspiels. Gott wollte den Israeliten nicht die unbeschränkten Eigenschaften seines Wesens lehren; davon hat er damals nichts offenbart, sondern er wollte ihren widerspenstigen Sinn brechen und sie zum Gehorsam bringen. Deshalb hat er sie nicht mit Gründen, sondern mit dem Schmettern der Trompeten mit Donner und Blitz angegriffen (Exod. XX. 20).
     
    Ich habe endlich noch zu zeigen, dass zwischen dem Glauben oder der Theologie und der Philosophie keine Gemeinschaft und keine Verwandtschaft besteht. Niemand kann dies leugnen, der das Ziel und die Grundlagen dieser beiden Vermögen kennt, die himmelweit von einander verschieden sind.. Das Ziel der Philosophie ist nur die Wahrheit; das des Glaubens aber, wie ich hinlänglich gezeigt, nur der Gehorsam und die Frömmigkeit. Die Grundlage der Philosophie sind die gemeinsamen Begriffe, und ihr Inhalt muss aus der Natur selbst entlehnt werden; die des Glaubens sind die Berichte und die Sprache, welche wie ich im Kap. 7 gezeigt, nur aus der Schrift und Offenbarung zu entnehmen sind. Der Glaube lässt deshalb Jedem die volle Freiheit im Philosophiren. Jeder mag ohne unrecht über Alles denken, wie er will; nur Die werden als Ketzer und Abtrünnige verdammt, welche Ansichten lehren, die zu Ungehorsam, Hass, Streit und Zorn fuhren; und nur Die gelten als Gläubige, welche zur Gerechtigkeit und Liebe nach den Kräften ihrer Vernunft ermahnen. Da dieses hier Dargelegte das Wichtigste ist, was ich bei dieser Abhandlung beabsichtige, so bitte ich, ehe ich weiter gehe, den Leser auf das Dringendste, diese beiden Kapitel besonders aufmerksam zu lesen und wiederholt zu erwägen. Er möge überzeugt sein, dass ich damit keine Neuerung habe einführen wollen, sondern es soll nur das Verschlechterte verbessert werden, damit es einst als tadellos geschaut werden kann.
     
     
Fünfzehntes Kapitel
 
    Die Theologie ist nicht die Magd der Vernunft, und die Vernunft nicht die der Theologie. Es wird auch gezeigt, weshalb wir von der Autorität der heiligen Schrift überzeugt sind.
     
    Wer die Philosophie nicht von der Theologie zu trennen vermag, streitet, ob die Schrift der Vernunft, oder umgekehrt die Vernunft der Schrift untergeordnet sein solle; d.h. ob der Sinn der Schrift der Vernunft, oder ob die Vernunft der Schrift anbequemt werden müsse. Letzteres wollen die Skeptiker, welche die Gewissheit der Vernunft leugnen; Ersteres die Dogmatiker. Beide irren in hohem Maasse, wie aus dem Bisherigen erhellt; denn in beiden Fällen muss entweder die Vernunft oder die Bibel verderbt werden. Denn ich habe gezeigt, dass die Bibel keine philosophischen Dinge, sondern nur Frömmigkeit lehrt, und dass Alles, was in ihr enthalten ist, dem Verstände und den vorgefassten Meinungen der Menge angepasst ist. Will man sie daher der Philosophie anpassen, so muss man den Propheten Vieles andichten, an das sie nicht im Traume gedacht haben, und man wird ihre Meinung falsch verstehen. Macht man aber die Vernunft und Philosophie zur Dienerin der Theologie, so muss man die Vorurtheile des niederen Volkes aus alten Zeiten wie göttliche Dinge behandeln und damit seinen Geist anfüllen und verdunkeln. So werden beide Theile Unsinn reden, der eine mit Vernunft, der andere ohne solche.
     
    Der Erste unter den Pharisäern, welcher annahm, dass die Schrift der Vernunft anbequemt worden, war Maimonides (dessen Ansicht ich in Kap. 7 vorgetragen und mit vielen Gründen widerlegt habe). Obgleich dieser Schriftsteller grosses Ansehen bei ihnen hatte, so wich doch der grössere Theil in diesem Punkte von ihm ab und wendete sich mit Hand und Fuss zur Ansicht eines gewissen R. Jehuda Alpakhar , welcher in der Absicht, den Irrthum des Maimonides zu vermeiden, in den entgegengesetzten gerieth; denn er sagt, 12 dass die Vernunft der Schrift dienen und ihr sich ganz unterwerfen müsse. Er gestattete deshalb keine gleichnissweise Auslegung der Bibel,

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