Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
der Gerechtigkeit und Liebe gegen den Nächsten verehren müssen. Daraus kann alles Weitere abgeleitet werden, was sich auf Folgendes beschränkt. 1) Gott, d.h. ein höchstes Wesen, was höchst gerecht und barmherzig oder das Muster des wahren Lebens ist, besteht; wer dies nicht weiss oder nicht glaubt, kann ihm nicht gehorchen und ihn nicht als seinen Richter kennen.
2) Gott ist nur Einer . Auch dies gehört unbedingt zur höchsten Andacht, Verehrung und Liebe gegen Gott, wie Niemand bezweifeln kann. Denn die Andacht, die Bewunderung und Liebe entspringt nur daraus, dass Einer alle Anderen übertrifft. 3) Gott ist überall gegenwärtig, und Alles ist ihm bekannt. Wenn etwas ihm verborgen bleiben, oder er nicht Alles sehen könnte, so müsste man über die gleiche Austheilung seiner Gerechtigkeit, mit der er Alles leitet, zweifeln oder sie nicht kennen. 4) Gott hat auf Alles das höchste Recht und Eigenthum, und er thut nichts aus Zwang einer Verbindlichkeit, sondern nach seinem unbedingten Rathschluss und aus seiner besonderen. Gnade. Alle müssen ihm unbedingt gehorchen, er selbst aber Niemandem. 5) Die Verehrung Gottes und der Gehorsam gegen ihn besteht nur in der Gerechtigkeit und Liebe des Nächsten. 6) Alle, die in solchem Lebenswandel Gott gehorsam sind, sind selig, und die Anderen, welche unter der Herrschaft der Begierden leben, sind verloren. Wenn die Menschen dies nicht fest glauben, so wäre kein Grund, weshalb sie Gott mehr als ihren Lüsten folgen sollten. 7) Endlich verzeiht Gott dem Reuigen seine Sünden. Denn es ist Niemand ohne Sünde; ohnedem müsste also Jeder an seinem Heile verzweifeln, und es wäre kein Grund, Gott für barmherzig zu halten. Wer dagegen fest glaubt, dass Gott in seiner Barmherzigkeit und Gnade, mit der er Alles leitet, den Menschen ihre Sünden vergiebt, wird dadurch in seiner Liebe zu Gott mehr gehoben; er kennt in Wahrheit Christus im Geiste, und in ihm ist Christus. Dieses Alles muss Jedermann wissen, dessen Kenntniss ist unentbehrlich, damit die Menschen ohne Ausnahme nach der oben erklärten Anweisung des Gesetzes Gott gehorchen können; denn fällt dieses hinweg, so hört auch der Gehorsam auf. Was übrigens Gott oder jenes Muster des wahren Lebens sei, ob ein Feuer oder Geist oder Licht oder Gedanke u.s.w., dies thut nichts zum Glauben; ebenso wenig weshalb er das Muster des wahren Lebens sei; ob deshalb, weil er einen gerechten und barmherzigen Sinn hat, oder weil alle Dinge durch ihn sind und wirken, und folglich auch wir durch ihn einsehen und dadurch das wahre Gerechte und Gute erkennen. Dies Alles mag Jeder, wie er will, festsetzen. Deshalb gehört es auch nicht zu dem Glauben, dass Jemand annehme, Gott sei vermöge seines Wesens oder seiner Macht überall, dass er die Welt aus Freiheit oder Nothwendigkeit leite, dass er die Gesetze wie ein Fürst vorschreibt oder als ewige Wahrheiten lehrt, dass der Mensch aus Freiheit des Willens oder aus der Nothwendigkeit des göttlichen Rathschlusses Gott gehorcht, und dass die Belohnung der Guten und die Strafe der Bösen eine natürliche oder übernatürliche ist. Dies und Aehnliches thut zu dem Glauben nichts, wie es auch der Einzelne auffasst, sofern er nur nichts zu dem Ende daraus folgert, was ihm eine grössere Freiheit zu sündigen gewährt oder zu geringerem Gehorsam gegen Gott verpflichtet. Vielmehr kann er, wie gesagt, diese Glaubenslehre seiner Fassungskraft anpassen und sie so auslegen, dass er sie leichter ohne Zögern und mit voller Beistimmung annehmen und somit Gott aus voller Ueberzeugung gehorchen kann. Denn ich habe schon früher bemerkt, dass ehedem der Glaube nach dem Verstande und der Fassungskraft der Propheten und des gemeinen Volkes jener Zeit offenbart und niedergeschrieben worden ist; deshalb ist auch Jeder jetzt schuldig, den Glauben seinem Verstände anzupassen, damit er ihn ohne Widerstreben seines Verstandes und ohne Zögern erfassen kann. Denn ich habe gezeigt, dass der Glaube nicht sowohl Wahrheit als Frömmigkeit verlangt, und dass er nur nach Verhältniss des Gehorsams fromm und heilsam ist, und dass daher man nur durch Gehorsam gläubig sein kann. Deshalb hat der, welcher die besten Gründe hat, nicht nothwendig auch den besten Glauben, sondern der, welche die Werke der Gerechtigkeit und Liebe verrichtet. Wie heilsam diese Lehre, wie notwendig sie für den Staat ist, wenn die Menschen in Erfurcht und Frieden leben wollen, wie viele Ursachen zu Unruhen und Verbrechen sie beseitigt, das
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