Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
worden, die Glaubenssätze nur so weit, wie es zu dem Gehorsam genügt; dagegen überlässt sie der Vernunft, welche in Wahrheit das Licht der Seele ist, und ohne die sie nur Träume und Erdichtungen sieht, zu bestimmen, wie sie im strengen Sinn der Wahrheit zu verstehen sind unter Theologie verstehe ich hier die Offenbarung, soweit sie das Ziel anzeigt, was die Bibel im Sinne hat (nämlich die Art und Weise des Gehorsams oder die Sätze des wahren Glaubens und wahrer Frömmigkeit). Dies ist das, was eigentlich Gottes Wort genannt wird, und was nicht in einer bestimmten Zahl von Büchern besteht. (Man sehe Kap. 12.) Wird die Theologie in diesem Sinne genommen, so stimmen ihre Anweisungen oder Lebensregeln mit der Vernunft, und ihre Absicht und ihr Ziel widerstreitet ihr nirgends, und deshalb ist sie für Alle gültig.
Was nun die ganze Schrift im Allgemeinen anlangt, so habe ich schon Kap. 7 gezeigt, dass ihr Sinn nur aus ihr selbst zu bestimmen ist, und nicht aus der allgemeinen Naturgeschichte, die blos die Grundlage der Philosophie ist; auch darf es uns nicht bedenklich machen, wenn ihr so ermittelter Sinn hierin der Vernunft sich widersprechend zeigt. Denn Alles, was derart die Bibel enthält, und was die Menschen ohne Schaden an der Liebe nicht zu wissen brauchen, das berührt nicht die Theologie oder das Wort Gottes, und deshalb kann Jeder ohne Unrecht davon halten, was er will. Ich folgere daher unbedingt, dass die Schrift weder der Vernunft, noch diese jener anzupassen ist.
Allein wenn man mit der blossen Vernunft nicht beweisen kann, ob die Grundlage der Theologie, wonach die Menschen durch den blossen Gehorsam gerettet werden, wahr oder falsch sei, könnte man da uns nicht vorwerfen, weshalb wir es glauben? und dass, wenn wir dies ohne Vernunft wie Blinde annehmen, wir thöricht und unverständig handeln? Und dass, wenn wir umgekehrt behaupteten, diese Grundlage lasse sich durch die Vernunft beweisen, sei da nicht die Theologie ein Theil der Philosophie und nicht von ihr zu trennen?
Darauf antworte ich, dass ich unbedingt anerkenne, dieser fundamentale Lehrsatz der Theologie könne durch das natürliche Licht nicht untersucht werden, und dass Niemand ihn zu beweisen vermocht habe, und dass deshalb die Offenbarung nöthig gewesen sei. Allein trotzdem kann man seinen Verstand brauchen, um die offenbarte Lehre mit wenigstens moralischer Gewissheit anzunehmen. Ich sage, mit moralischer Gewissheit; nicht weil ich meine, dass man darüber sicherer werden könne als die Propheten, denen sie zuerst offenbart wurde, und deren Gewissheit doch nur eine moralische war, wie ich in Kap. 2 dieser Schrift gezeigt habe. Deshalb irren Die gänzlich, welche das Ansehen der Schrift durch mathematische Beweise darzulegen versuchen. Denn das Ansehen der Schrift hängt von dem Ansehen der Propheten ab; deshalb kann jenes mit keinen stärkeren Gründen bewiesen werden, als mit denen, welche die Propheten ehedem für die Ueberzeugung ihres Volkes benutzten; ja, unsere Gewissheit hierin kann auf keiner anderen Grundlage errichtet werden, als die, worauf die Propheten ihr Ansehen und ihre Gewissheit stützten. Denn die ganze Gewissheit der Propheten beruht auf dreierlei, wie ich gezeigt habe; 1) auf der deutlichen und lebendigen Einbildung; 2) auf Zeichen, und 3) und hauptsächlich auf einem dem Billigen und Guten zugewendeten Gemüthe. Die Propheten stüzten sich nie auf andere Gründe, und deshalb können sie weder dem Volke, zu dem sie einst in lebendiger Rede sprachen, noch uns, zu denen sie schriftlich sprechen, ihr Ansehen aus anderen Gründen darlegen. Das Erste anlangend, dass sie die Dinge sich lebhaft vorstellten, so konnte dies nur den Propheten selbst bekannt sein; deshalb muss und soll unsere ganze Gewissheit der Offenbarung auf die beiden anderen, das Zeichen und die Lehre, sich stutzen. Dies sagt auch Moses ausdrücklich. Im 2. Buche XXVIII. heisst er dem Volke, dem Propheten zu gehorchen, der im Namen Gottes ein wahres Zeichen gegeben habe; sei dieses aber fälschlich geschehen, so solle es ihn, auch wenn er im Namen Gottes geweissagt, doch des Todes schuldig erklären, wie Den, der das Volk von der wahren Religion abzubringen versuche, wenn er auch sein Ansehn durch Zeichen und Wunder beglaubigt habe; man sehe hierüber Deut. XIII. Daraus ergiebt sich, dass der wahre Prophet von dem falschen nur an der Lehre und dem Wunder zugleich erkannt werden kann. Denn einen solchen erklärt Moses für einen
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