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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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gemacht hat. Davon ist nur Derjenige ausgenommen, dem Gott durch sichere Offenbarung eine besondere Hülfe gegen den Tyrannen zugesagt hat oder ihn namentlich ausgenommen wissen will. So waren es von so vielen Juden in Babylon nur drei Jünglinge, die an Gottes Hülfe nicht verzweifelten und deshalb dem Nebucadnezar nicht gehorchen mochten; aber die Anderen alle, mit Ausnahme Daniel's, welchen der König selbst angeleitet hatte, haben ohne Bedenken sich dem Zwang der Gesetze gefügt, indem sie vielleicht bedachten, dass Gottes Rathschluss sie dem Könige überliefert und, dieser die höchste Gewalt inne habe und unter göttlicher Leitung sich erhalte. Dagegen wollte Eleazar, als der Staat noch bestand, den Seinigen ein Beispiel der Festigkeit geben, damit sie ihm nachfolgten und lieber Alles ertrügen, als zugäben, dass ihr Recht und Gewalt auf die Griechen übertragen werde, und dass sie lieber Alles versuchten, als den Heiden Treue zu schwören.
     
    Dies bestätigt auch die tägliche Erfahrung; denn die christlichen Staatsgewalten tragen zur mehreren Sicherheit kein Bedenken, Bündnisse mit den Türken und Heiden einzugehen, und ihren Unterthanen, die dort sich niederlassen wollen, befehlen sie, sich keine grössere Freiheit in menschlichen und göttlichen Angelegenheiten zu nehmen, als sie ausdrücklich ausgemacht haben, oder jene Staaten ihnen bewilligen. Dies ergiebt der Vertrag der Niederländer mit den Japanesen, den ich oben erwähnt habe.
     
     
Siebzehntes Kapitel
 
    Es wird gezeigt, dass Niemand Alles auf die Staatsgewalt übertragen kann, und dass dies auch nicht nöthig ist. Ueber den Staat der Juden, wie er zu Mosis Zeiten beschaffen war; wie nach dessen Tode von der Wahl der Könige und über seine Vorzüge; endlich über die Ursachen, weshalb der Gottesstaat untergehen und sich ohne Aufstände kaum erhalten konnte.
     
    Obgleich die im vorigen Kapitel enthaltene Betrachtung über das Recht der Staatsgewalt auf Alles und über das ihr übertragene natürliche Recht des Einzelnen mit der Praxis so ziemlich stimmt, und die Praxis so eingerichtet werden kann, dass sie ihr sich immer mehr annähert, so ist sie doch in vielen Punkten blosse Theorie geblieben. Denn Niemand wird ja seine Macht und folglich auch sein Recht auf einen Anderen so übertragen können, dass er aufhört, ein Mensch zu sein, und es wird nie eine solche Staatsgewalt geben, die Alles so ausführen kann, wie sie will. Sie würde vergeblich den Unterthanen befehlen, den Wohlthäter zu hassen oder den Beschädiger zu lieben, von Verleumdungen sich nicht verletzt zu fühlen, sich von der Furcht nicht befreien zu wollen und Anderes dergleichen mehr, was aus den Naturgesetzen sich ergiebt. Auch lehrt dies die Erfahrung meines Erachtens deutlich; denn nirgends haben die Menschen ihr Recht in der Art abgetreten und ihre Macht so auf einen Anderen übertragen, dass Die, welche dieses Recht und diese Macht empfingen, jene nicht mehr fürchteten, und dass ihrer Herrschaft nicht von den Bürgern, obgleich sie ihrer Rechte beraubt waren, mehr als von den Feinden Gefahr drohte. Wenn freilich die Menschen ihres natürlichen Rechtes so beraubt werden könnten, dass sie später nichts mehr vermöchten, als was die Inhaber der Staatsgewalt gestatteten, dann könnte diese allerdings ungestraft auf das Gewaltthätigste über ihre Unterthanen herrschen; allein dies wird Niemand in den Sinn kommen. Deshalb muss man anerkennen, dass Jeder sich viele Rechte zurückbehält, die deshalb nicht von dem Belieben eines Anderen, sondern nur von ihm abhängen.
     
    Um indess die Grenzen, wie weit das Recht und die Macht der Staatsgewalt sich erstreckt, richtig einzusehen, ist festzuhalten, dass die Macht der Staatsgewalt nicht blos darin besteht, dass sie die Menschen durch Furcht zwingen kann, sondern in Allem, wodurch sie überhaupt sich Gehorsam verschaffen kann; da nicht der Grund des Gehorsams, sondern der Gehorsam die Unterthanen macht. Aus welchem Grunde auch Jemand beschliesst, das Gebot der Staatsgewalt zu vollziehen, sei es aus Furcht vor Strafe oder aus Hoffnung oder aus Liebe zum Vaterlande oder aus Antrieb eines anderen Gefühls, so überlegt er zwar nach seinen eigenen Gedanken, aber handelt dennoch nach dem Gebot der höchsten Gewalt. Also kann man nicht deshalb, dass Jemand etwas freiwillig thut, sofort schliessen, er handle aus seinem und nicht nach dem Rechte der Staatsgewalt. Denn da man sowohl durch Liebe veranlasst, wie durch Furcht

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