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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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Salomo zu reden, den Gerechten und Gottlosen, den Reinen und den Unreinen treffen, und weder Platz für Gerechtigkeit noch Liebe ist. Damit aber die Lehren der wahren Vernunft, d.h. wie ich in Kap. 4 bei dem göttlichen Gesetz gezeigt habe, die göttlichen Lehren die Kraft des Rechtes unbedingt erhielten, war es nöthig, dass Jeder sein natürliches Recht aufgab, und Alle es auf Alle oder Einige oder Einem übertrugen. Erst damit wurde klar, was Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, was Billigkeit und Unbilligkeit sei. Die Gerechtigkeit und überhaupt alle Lehren der wahren Vernunft und folglich auch die Liebe gegen den Nächsten erhalten also nur durch das Recht des Staates, d.h. nach dem in demselben Kapitel Gezeigten, mir durch den Beschluss Derer die Kraft des Rechts und Gesetzes, welche die höchste Staatsgewalt inne haben. Da nun, wie ich dargelegt, das Reich Gottes nur in dem Rechte der Gerechtigkeit und Liebe oder in dem Rechte der wahren Religion besteht, so folgt, wie ich behauptet habe, dass Gott kein anderes Reich unter den Menschen hat als das durch die Inhaber der Staatsgewalt geübte. Es ist dabei gleich, ob man meint, die Religion sei durch das natürliche Licht oder mittelst der Propheten offenbart; denn der Beweis gilt allgemein, da die Religion dieselbe von Gott mitgetheilte ist, mag sie so oder so den Menschen bekannt geworden sein. Deshalb musste auch bei den Juden, wenn die durch die Propheten geoffenbarte Religion die Kraft des Rechts erlangen sollte, Jeder sein natürliches Recht aufgeben, und Alle gemeinsam festsetzen, nur dem zu gehorchen, was die Propheten ihnen offenbaren würden, wie dies in dem demokratischen Staat geschieht, wo Alle mit gemeinsamer Uebereinstimmung beschliessen, nur nach dem Gebot der Vernunft zu leben.
     
    Wenn auch die Juden nebenbei ihr Recht auf Gott übertragen haben, so konnten sie das doch nur in Gedanken, aber nicht durch die That vollziehen. Denn sie behielten in Wahrheit, wie wir gesehen haben, die unbeschränkte Staatsgewalt, bis sie diese auf Moses übertrugen, welcher dann unbeschränkter König blieb, und Gott hat die Juden nur durch ihn regiert. Ferner konnte aus diesem Gründe, dass die Religion nur durch das Recht des Staates die rechtliche Natur erlangt, Moses Diejenigen nicht ebenso mit dem Tode bestrafen, welche vor dem Vertrage, wo sie also noch in ihrem natürlichen Rechte waren, den Sabbath verletzt hatten (Exod. XV. 30), als die, welche nach dem Vertrage dies thaten (Num. XV. 36), wo sie ihr Recht abgetreten hatten, und der Sabbath nach dem Staatsrecht die Kraft eines Gebotes annahm. Endlich hat deshalb auch nach dem Untergang des jüdischen Staates die geoffenbarte Religion aufgehört, die Kraft des Rechts zu haben; denn unzweifelhaft hat von da ab, wo die Juden ihr Recht auf den babylonischen König übertrugen, das Reich Gottes und das göttliche Recht sofort aufgehört. Denn damit war der Vertrag völlig aufgehoben, in dem sie Gott zugesagt hatten, allen seinen Worten zu gehorchen, der die Grundlage des Rechtes Gottes gebildet hatte, und sie konnten nicht mehr an denselben halten, da sie von da ab nicht mehr selbstständig waren, wie in der Wüste oder in ihrem Lande, sondern dem König von Babylon gehörten, dem sie, wie ich in Kap. 16 gezeigt habe, in Allem zu gehorchen hatten. Auch Jeremias sagt dies ausdrücklich XIX. 7. »Bedenkt«, sagt er, »den Frieden des Reichs, wohin ich Euch als Gefangene geführt habe; bleibt jenes unversehrt, so werdet auch Ihr unversehrt bleiben.« Für die Wohlfahrt dieses Staates konnten sie aber nicht als dessen Diener, da sie Gefangene waren, sondern nur als dessen Sklaven sorgen; indem sie sich zur Vermeidung von Aufständen in Allem gehorsam bewiesen, die Gesetze und Rechte des Landes beobachteten, wenn sie auch von den im Vaterland gewohnten sehr verschieden waren u.s.w.
     
    Aus alledem ergiebt sich auf das Klarste, dass bei den Juden die Religion die Kraft des Rechts nur von dem Recht des Staates erhalten hat, und dass sie nach dessen Zerstörung nicht mehr als das Recht eines besonderen Staates, sondern als eine allgemeine Lehre der Vernunft gelten kann; der Vernunft, sage ich, da die katholische Religion damals noch nicht offenbart war.
     
    Ich folgere deshalb unbedingt, dass die Religion, sei sie durch das natürliche Licht oder das prophetische offenbart, die Kraft eines Gebotes nur durch den Beschluss des Inhabers der Staatsgewalt erhält, und dass Gott kein besonderes Reich bei den Menschen hat,

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