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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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so sie in Zaum zu halten, dass sie ohne Zustimmung und Bewilligung der Stände nichts vermöchten. Danach ist die höchste Staatsgewalt immer bei den Ständen gewesen, und nur der letzte Graf hat sie für sich zu erlangen versucht. Deshalb kann man nicht sagen, dass sie von ihm abgefallen wären; denn sie haben nur den alten, beinahe verlorenen Zustand wieder hergestellt.
     
    Diese Beispiele bestätigen, was ich gesagt habe, dass die Verfassung eines Reiches nothwendig festzuhalten ist und ohne Gefahr des gänzlichen Unterganges desselben nicht geändert werden kann. Dies ist es, was darzulegen mir hier der Mühe werth erschienen ist.
     
     
Neunzehntes Kapitel
 
    Es wird gezeigt, dass das oberste Recht in Religionsangelegenheiten bei der Staatsgewalt sein müsse, und dass der äussere Gottesdienst dem Frieden des Staates angepasst werden müsse, wenn man Gott recht gehorchen wolle.
     
    Wenn ich oben gesagt habe, dass die Inhaber der Staatsgewalt allein das Recht zu Allem haben, und dass alles Recht nur von ihrem Beschlusse abhängt, so habe ich dies nicht blos von dem bürgerlichen Kochte, sondern auch von dem geistlichen gemeint; auch von diesem müssen sie die Erklärer und Vertheidiger sein. Ich erkläre das hier ausdrücklich und werde in diesem Kapitel absichtlich darüber handeln, weil von Vielen bestritten wird, dass dieses geistliche Recht der Staatsgewalt zustehe, und weil sie von diesen nicht als Auslegerin des göttlichen Rechtes anerkannt wird. Deshalb erlauben diese Leute sich auch, sie anzuklagen, sie abzusetzen, ja aus der Kirche auszuschliessen, wie zuerst Ambrosius mit dem Kaiser Theodosius gethan hat. Es wird weiter unten gezeigt werden, dass sie auf diese Weise die Staatsgewalt zertheilten, ja selbst danach strebten; vorher will ich aber zeigen, dass die Religion die Kraft eines Gesetzes nur durch den Beschluss der Inhaber der Staatsgewalt erlangen kann, und dass Gott keine besondere Herrschaft über die Menschen führt, sondern dies nur durch Die thut, welche die Staatsgewalt haben; ferner, dass der Gottesdienst und die Uebung der Frömmigkeit sich dem Frieden und Nutzen des Staats unterordnen muss und deshalb nur von der Staatsgewalt eingerichtet worden soll, die deshalb auch die Erklärer derselben sein muss. Ich spreche ausdrücklich von der Uebung der Frömmigkeit und von dem äusseren Gottesdienst, nicht von der Frömmigkeit selbst und von dem inneren Gottesdienst, oder von den Mitteln, wodurch die Seele innerlich bestimmt wird, Gott mit voller Seele zu verehren. Dieser innere Gottesdienst und diese Frömmigkeit gehört zu den besonderen Rechten jedes Einzelnen, die, wie in Kap. 17 gezeigt worden, auf einen Anderen nicht übertragen werden können. Was ich ferner unter Reich Gottes hier verstelle, erhellt genügend aus Kap. 14, wo ich gezeigt habe, dass Derjenige das Gesetz Gottes erfüllt, welcher nach Gottes Willen die Gerechtigkeit und Liebe übt; daraus folgt, dass das Reich Gottes da ist, wo die Gerechtigkeit und Liebe die Kraft des Rechts und Gesetzes haben. Auch erkenne ich hier keinen Unterschied an, ob Gott den wahren Dienst der Gerechtigkeit und Liebe durch das natürliche Licht oder durch Offenbarung gelehrt und geboten hat; denn auf die Art der Mittheilung kommt es dabei nicht an, wenn es nur das höchste Gesetz ist und als solches den Menschen gilt. Wenn ich daher jetzt zeigen will, dass die Gerechtigkeit und Liebe die Kraft des Rechtes und Gesetzes nur durch das Recht des Staats erlangen kann, so ergiebt sich leicht, da das Recht des Staats nur bei der höchsten Gewalt ist, dass die Religion die Kraft des Rechts nur durch den Beschluss Derer erlangen kann, welche die weltliche Staatsmacht innehaben, und dass Gott neben Diesen nicht noch eine besondere Herrschaft über die Menschen führt. Dass aber der Dienst der Gerechtigkeit und Liebe die Kraft des Rechts nur durch das Recht des Staates erlangt, erhellt aus dem Früheren; denn in Kap. 16 habe ich nachgewiesen, dass im natürlichen Zustande die Vernunft nicht mehr Recht hat als die Begierde, und dass sowohl Die, welche nach den Gesetzen der Begierde, wie die, welche nach den Gesetzen der Vernunftleben, das Recht auf Alles, was sie vermögen, haben. Deshalb habe ich in dem natürlichen Zustande keine Sünde angenommen und Gott nicht als einen Richter vorgestellt, der die Menschen wegen ihrer Sünden straft, sondern dass da Alles nach den allgemeinen Gesetzen der ganzen Natur geschieht, und dieselben Ereignisse, um mit

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