Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Krieg und innere Unruhen verbracht haben. Nachdem aber die Könige zur Herrschaft gekommen waren, wurden die Kriege nicht mehr wie früher um des Friedens und der Freiheit willen geführt, die Zeit Salomo's ausgenommen, dessen Tugend, die Weisheit nämlich, besser im Frieden als im Kriege sich zeigen konnte. Da begann eine verderbliche Herrschsucht, welche den Meisten ihren Weg zur Herrschaft zu einem blutigen machte. Auch die Gesetze wurden während der Volksherrschaft unverderbt erhalten und beharrlicher befolgt; denn vor den Königen gab es nur wenig Propheten, die das Volk ermahnten, aber nach der Königswahl standen viele zugleich auf. So befreite Habadias deren hundert vom Tode und versteckte sie, damit sie nicht mit den Uebrigen getödtet würden. Auch findet sich nicht, dass das Volk früher von falschen Propheten betrogen worden ist, als nach Einsetzung der Könige, denen sie meistens zustimmten. Dazu kommt, dass der Sinn des Volkes je nach den Umständen bald stolz, bald demüthig war, und es im Unglück sich leicht besserte und zu Gott wendete, die Gesetze herstellte und sich so aus allen Gefahren heraushalf; dagegen war der Sinn der Könige immer stolz; sie konnten ohne Schande nicht nachgeben und hielten so hartnäckig an ihren Fehlern fest, bis der Staat völlig zu Grunde ging.
Daraus ergiebt sich deutlich, 1) wie gefährlich es für die Religion und den Staat ist, den Priestern ein Recht auf Gesetzgebung oder Reichsverwaltung einzuräumen; vielmehr bleibt Alles beständiger, wenn man die Priester so hält, dass sie nur auf Befragen ihre Meinung äussern dürfen, und bis dahin nur das lehren und üben, was hergebracht und im Gebrauche ist; 2) wie gefährlich es ist, rein spekulative Fragen in das göttliche Recht zu ziehen und Gesetze über streitige Ansichten zu erlassen; denn die Herrschaft ist da am gewaltsamsten, wo Meinungen, zu denen Jeder berechtigt ist, und denen er nicht entsagen kann, für ein Verbrechen gelten. Selbst der Zorn des grossen Haufens herrscht da am meisten, wo solches geschieht; denn Pilatus liess nur, um den Zorn der Pharisäer zu beschwichtigen, Christus hinrichten, obgleich er ihn für unschuldig hielt. Auch die Pharisäer begannen die Religionsstreitigkeiten und die Anklagen gegen die Sadducäer wegen Gottlosigkeit nur, um die Reichen aus ihren Würden zu vertreiben. Nach diesem Beispiele der Pharisäer wurden die Schlachten und die Heuchler von der gleichen Leidenschaft erfasst, die sie Eifer für Gottes Recht nannten; überall verfolgten sie die durch Frömmigkeit ausgezeichneten und durch Tugend bekannten und deshalb der Menge verhassten Männer; sie verurtheilten öffentlich deren Meinungen und entzündeten den Zorn der wilden Menge gegen sie. Diese dreiste Ausgelassenheit, die sich den Mantel der Religion umhängt, kann nicht leicht aufgehalten werden, namentlich wenn die Staatsgewalten eine Religionssekte einführen, die sie nicht begründet haben. Dann gelten sie nicht als Ausleger des göttlichen Rechtes, sondern als Sektirer, und sie müssen die Lehrer der Sekte als die Ausleger des göttlichen Rechts anerkennen. Dann pflegt das Ansehn der Obrigkeit hierin bei der Menge zu sinken, und das Ansehn der Lehrer steigt um so mehr; man meint dann, dass auch die Könige deren Auslegungen anerkennen müssen. Um dieses Uebel zu vermeiden, giebt es für den Staat kein besseres Mittel, als Frömmigkeit und Religionsdienst nur in die Werke zu setzen, d.h. nur in die Ausübung der Liebe und Gerechtigkeit, und im Uebrigen Jedem seine Meinung frei zu lassen. Doch hierüber werde ich nachher ausführlich sprechen.
3) erhellt, wie nöthig es für den Staat und die Religion ist, dass der höchsten Staatsgewalt die Entscheidung über Recht und Unrecht zustehe. Denn wenn dieses Recht, über die Thaten zu entscheiden, selbst den göttlichen Propheten nur zum grossen Schaden des Reiches und der Religion eingeräumt werden konnte, so kann es noch weniger solchen eingeräumt werden, die weder das Kommende vorhersagen, noch Wunder verrichten können. Auch hierüber werde ich im Folgenden noch besonders handeln.
4) endlich erhellt, wie verderblich es für ein Volk, was an Könige nicht gewöhnt war und schon Gesetze hatte, wurde, dass sie die Monarchie wählten. Denn das Volk konnte eine solche Herrschaft nicht ertragen, und ebenso mochte die königliche Macht die Gesetze und die Rechte des Volkes nicht, welche von geringeren Gewalten eingesetzt waren. Noch weniger waren sie
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