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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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einem christlichen Staate nicht stattfindet. Deshalb sind offenbar heutzutage die Religionsangelegenheiten nur ein Recht der Staatsgewalt; deren Verwaltung verlangt eine besondere Sittlichkeit, aber nicht eine besondere Familie, und deshalb können die Inhaber der Staatsgewalt als Weltliche nicht von ihnen ausgeschlossen werden, und nur auf der Macht oder der Erlaubniss der höchsten Staatsgewalt ruht das Recht und die Macht, die Religionsangelegenheiten zu verwalten, ihre Diener zu erwählen, die Grundlagen der Kirche und ihre Lehre zu bestimmen und festzustellen, über die Sitten und frommen Handlungen zu urtheilen, Jemand in die Kirche aufzunehmen oder daraus zu verstossen und für die Armen zu sorgen.
     
    Dies ist nicht blos wahr, wie ich bewiesen habe sondern auch durchaus nothwendig, sowohl zur Erhaltung der Religion selbst wie des Staates. Denn es ist bekannt, wie viel das Recht und die Macht über die geistlichen Dinge bei dem Volke bedeutet, und wie Alle auf den Mund Dessen lauschen, der diese Macht besitzt; so dass man sagen kann, dass der Inhaber dieser Macht am meisten über die Gemüther gebietet. Wer mithin dieses Recht der höchsten Staatsgewalt entziehen will, strebt nach Theilung der Herrschaft, woraus unvermeidlich, wie sonst zwischen den Königen und Hohenpriestern der Juden, Streit und Unfrieden ohne Ende entstehen muss. Ja, wer diese Macht der weltlichen Gewalt entziehen will, der sucht nach einem Weg zur Herrschaft, wie ich dargelegt habe. Denn was hat die Staatsgewalt zu beschliessen, wenn ihr dieses Recht verweigert wird? Fürwahr nichts, weder über den Krieg noch über den Frieden noch sonst eine Angelegenheit; da sie auf den Ausspruch Dessen warten muss, der sie lehrt, ob das, was sie für nützlich hält, fromm oder gottlos ist; vielmehr geschieht dann Alles nach dem Beschlusse Jenes, der über das Fromme und Gottlose, über das Rocht und Unrecht urtheilen und entscheiden kann.
     
    Alle Jahrhunderte haben Beispiele hierzu erlebt; ich will nur eins für viele anführen. Dem Römischen Hohenpriester war dieses Recht eingeräumt, und so brachte er allmählich alle Könige unter seine Gewalt, bis er zu dem Gipfel der Herrschaft aufgestiegen war. Wenn später die Fürsten und insbesondere die deutschen Kaiser dessen Ansehen nur um ein Geringes zu vermindern suchten, so war dieses vergeblich; vielmehr vermehrten sie nur dadurch in vielen Fällen dessen Macht. Denn das, was kein Monarch mit Eisen oder Feuer, vermag, das haben die Priester mit der blossen Feder vermocht. Daraus allein erhellt ihre Kraft und Gewalt und die Nothwendigkeit, dass die Staatsgewalt diese Macht an sich behalte.
     
    Ueberdenkt man, was ich früher ausgeführt, so sieht man, dass dieses auch nicht wenig zum Wachsthum der Religion und Frömmigkeit selbst beitragen muss. Denn ich habe oben gezeigt, dass selbst die Propheten trotz ihrer Begabung mit göttlicher Tugend doch als Einzelne durch ihr Recht, zu ermahnen, zu tadeln und zu schelten, die Menschen mehr gereizt als gebessert haben; während sie leicht sich den Ermahnungen oder Züchtigungen der Könige fügten. Ferner sind die Könige selbst oft nur deshalb, weil ihnen dieses Recht nicht zustand, von der Religion abgefallen und mit ihnen beinahe das ganze Volk. Selbst in christlichen Ländern hat sich dies aus diesem Grunde oft zugetragen.
     
    Wenn man mich aber fragt, wer dann, wenn die Inhaber der Staatsgewalt gottlos sein wollten, die Frömmigkeit vertheidigen solle? ob Jene auch dann als Erklärer derselben gelten sollen? so frage ich dagegen: Wie aber, wenn die Geistlichen, die auch Menschen sind, und Einzelne, denen nur ihre Geschäfte zu besorgen obliegt, oder Andere, bei denen das Recht über die geistlichen Dinge sein soll, gottlos sein wollen, sollen auch dann sie als dessen Erklärer gelten. Es ist sicher, dass, wenn die Inhaber der Staatsgewalt nach ihrem Belieben vorgehen wollten, Alles, mögen sie das Recht über die geistlichen Dinge haben oder nicht, das Geistliche wie das Weltliche, in schlechten Zustand gerathen wird, und zwar um so schneller, wenn Einzelne das göttliche Recht in aufrührerischer Weise beanspruchen. Deshalb wird damit nichts erreicht, dass ihnen dieses Recht versagt wird, sondern das Uebel wird vielmehr vergrössert, da sie deshalb allein gottlos werden müssen, wie die jüdischen Könige, denen dieses Recht nicht unbedingt zustand, und somit wird die Beschädigung des Staates und sein Unglück aus einem Ungewissen und zufälligen

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