Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Herrscher eines anderen Staates. Deshalb waren auch die Juden, obgleich es ihnen geboten war, ihren Nächsten wie sich selbst zu lieben (Levit. XIX. 17, 18), doch schuldig, den, der gegen das Gebot des Gesetzes etwas begangen hatte, dem Richter anzuzeigen (Lev. V. 1, Deut. XIII. 8, 9) und ihn, wenn er des Todes schuldig erklärt wurde, zu tödten (Deut. XVII. 7). Damit ferner die Juden ihre erlangte Freiheit bewahren und das eroberte Land unter ihrer unbedingten Herrschaft behalten konnten, war es, wie ich Kap. 17 gezeigt habe, nothwendig, dass sie die Religion ihrem Staatswesen ausschliesslich anpassten und von den übrigen Völkern sonderten. Deshalb war ihnen geheissen: Liebe Deinen Nächsten und hasse Deinen Feind (Matth. V. 43). Nachdem sie aber die Staatsgewalt verloren hatten und in die babylonische Gefangenschaft geführt worden waren, belehrte Jeremias sie, auch dafür zu sorgen, dass dem Staate, wohin sie als Gefangene gebracht worden, kein Schaden geschehe; und als Christus sah, dass sie über den ganzen Erdkreis Zerstreut werden würden, lehrte er, dass Alle die Frömmigkeit gegen Jedermann ohne Ausnahme üben sollten. Dies Alles zeigt auf das Klarste, dass die Religion immer dem Wohl des Staates angepasst worden ist.
Fragt aber Jemand, mit welchem Rechte denn die Jünger Christi, die blosse Privatleute waren, die Religion haben lehren können, so antworte ich, dass sie es auf Grund der Gewalt gethan haben, die sie von Christus gegen die unreinen Geister empfangen haben (Matth. X. 1). Denn ich habe schon oben am Schluss des 16. Kapitels ausdrücklich bemerkt, dass man auch den Tyrannen die Treue bewahren müsse, mit Ausnahme Dessen, dem Gott durch sichere Offenbarung einen besonderen Beistand gegen den Tyrannen versprochen hat. Deshalb kann daran Niemand ein Beispiel nehmen, wenn er nicht auch die Macht hat, Wunder zu verrichten; wie auch daraus erhellt, dass Christus seinen Jüngern gesagt hat, sie sollten Die nicht fürchten, welche den Körper tödten (Matth. XVI. 28). Wäre dies Jedem gesagt worden, so würde der Staat vergeblich errichtet sein, und jene Worte Salomo's (Sprüchwörter XXIV. 21): »Mein Sohn, fürchte Gott und den König,« wären ein gottloses Wort, was aber durchaus falsch ist, und man muss deshalb anerkennen, dass jene Gewalt, welche Christus seinen Jüngern ertheilt hat, ihnen nur für ihre Person gegeben worden ist, und Andere daran kein Beispiel nehmen können.
Uebrigens machen mich die Gründe meiner Gegner nicht bedenklich, durch die sie das geistliche Recht von dem bürgerlichen trennen und behaupten, nur dieses sei bei der höchsten Staatsgewalt, jenes aber bei der allgemeinen Kirche; sie sind so leichtfertig, dass sie keine Widerlegung verdienen. Das Eine kann ich nicht mit Stillschweigen übergehen, dass sie sich selbst kläglich täuschen, wenn sie zur Rechtfertigung dieser aufrührerischen Ansicht, welches harte Wort man mir verzeihen möge, das Beispiel des Hohenpriesters der Juden benutzen, da dieser ehedem auch das Recht hatte, die heiligen Angelegenheiten zu verwalten; sie vergessen, dass die Hohenpriester dieses Recht von Moses empfangen hatten, welcher, wie ich oben gezeigt habe, die höchste Staatsgewalt allein besass, und durch dessen Beschluss sie mithin auch dieses Rechtes wieder beraubt werden konnten. Er selbst wählte ja nicht blos den Aaron, sondern auch dessen Sohn Eleazar und Enkel Pincha, und gab diesen die Macht, das Hohepriesterthum zu verwalten, was nachher die Hohenpriester so behielten, dass sie dennoch als die Beamten Mosis, d.h. der höchsten Staatsgewalt erscheinen. Denn Moses erwählte, wie gesagt, keinen Nachfolger in der Herrschaft, sondern vertheilte dessen Geschäfte so, dass die Späteren seine Verweser wurden, welche die Staatsgewalt verwalteten, als wenn der König nur abwesend und nicht todt wäre. Im zweiten Reiche hatten dann die Hohenpriester dieses Recht unbeschränkt, nachdem sie zu dem Priesterthum auch das fürstliche Recht erlangt hatten.
Deshalb hängt das Recht des Hohenpriesters immer von der Bewilligung der Staatsgewalt ab, und die Hohenpriester haben es immer nur mit derselben inne gehabt. Ja, das Recht in Religionsangelegenheiten ist immer bei den Königen gewesen, wie sich aus dem in diesem Kapitel Folgenden ergeben wird. Nur ein Recht hatten sie nicht; sie durften nicht bei Verwaltung der Heiligthümer im Tempel helfen, weil Alle, die nicht von Aaron abstammten, für weltlich gehalten wurden, was aber bei
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